Bindung: Unterschied zwischen den Versionen
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| können Nähe und Distanz der BP angemessen regulieren | | können Nähe und Distanz der BP angemessen regulieren | ||
Bindungsverhalten ↔ Erkundungsverhalten | |||
| kurzfristige Irritation, ggf. Weinen, wenn BP den Raum verlässt; lassen sich aber von Testerin trösten und beruhigen sich schnell wieder; spielen im Raum auch mit der Testerin; laufen der BP bei Rückkehr entgegen und begrüßen diese freudig | | kurzfristige Irritation, ggf. Weinen, wenn BP den Raum verlässt; lassen sich aber von Testerin trösten und beruhigen sich schnell wieder; spielen im Raum auch mit der Testerin; laufen der BP bei Rückkehr entgegen und begrüßen diese freudig | ||
| elterliche Feinfühligkeit (prompte Wahrnehmung, richtige Interpretation und angemessene Reaktion auf kindliche Signale → keine starke Frustration beim Kind) → Vertrauen in Verfügbarkeit der BP → Trenungsschmerz, aber Sicherheit: "Sie kommt zurück" | | elterliche Feinfühligkeit (prompte Wahrnehmung, richtige Interpretation und angemessene Reaktion auf kindliche Signale → keine starke Frustration beim Kind) → Vertrauen in Verfügbarkeit der BP → Trenungsschmerz, aber Sicherheit: "Sie kommt zurück" | ||
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| zeigen Pseudounabhängigkeit von BP; auffälliges Kontakt-Vermeidungsverhalten, beschäftigen sich primär mit Spielzeug → Stress-Kompensation | | zeigen Pseudounabhängigkeit von BP; auffälliges Kontakt-Vermeidungsverhalten, beschäftigen sich primär mit Spielzeug → Stress-Kompensation | ||
Bindungsverhalten&darr ↔ Erkundungsverhalten↑ | |||
| bei Trennung von BP scheinbar unbeeindruckt, weder ängstlich noch ärgerlich, aber starker Anstieg von Herzfrequenz und Cortisol (= Stress); spielen auffallend oft für sich allein; bei Rückkehr der BP bemerken sie diese kaum oder ignorieren sie; suchen eher die Nähe der fremden Person und meiden ihre eigentliche BP | | bei Trennung von BP scheinbar unbeeindruckt, weder ängstlich noch ärgerlich, aber starker Anstieg von Herzfrequenz und Cortisol (= Stress); spielen auffallend oft für sich allein; bei Rückkehr der BP bemerken sie diese kaum oder ignorieren sie; suchen eher die Nähe der fremden Person und meiden ihre eigentliche BP | ||
| häufige Zurückweisung durch BP → fehlende Zuversicht bezüglich der Verfügbarkeit ihrer BP; Erwartungshaltung, dass Wünsche grundsätzlich auf Ablehnung stoßen und ihnen kein Anspruch auf Liebe und Unterstützung zusteht; Ausweg aus der belastenden/bedrohlichen Situation des immer wieder Zurückgewiesen-Seins nur durch Beziehungsvermeidung (oder Überangepasstheit) | | häufige Zurückweisung durch BP → fehlende Zuversicht bezüglich der Verfügbarkeit ihrer BP; Erwartungshaltung, dass Wünsche grundsätzlich auf Ablehnung stoßen und ihnen kein Anspruch auf Liebe und Unterstützung zusteht; Ausweg aus der belastenden/bedrohlichen Situation des immer wieder Zurückgewiesen-Seins nur durch Beziehungsvermeidung (oder Überangepasstheit) | ||
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| C-Typ | | C-Typ | ||
| verhalten sich widersprüchlich-anhänglich gegenüber der Bezugsperson | | verhalten sich widersprüchlich-anhänglich gegenüber der Bezugsperson | ||
Bindungsverhalten&uarr ↔ Erkundungsverhalten↓ | |||
| wirken bei Trennung massiv verunsichert, weinen, laufen zur Tür, schlagen gegen diese und sind durch Testerin kaum zu beruhigen; bei Rückkehr der BP abwechselnd anklammerndes und aggressiv-abweisendes Verhalten, sind nur schwer zu beruhigen | | wirken bei Trennung massiv verunsichert, weinen, laufen zur Tür, schlagen gegen diese und sind durch Testerin kaum zu beruhigen; bei Rückkehr der BP abwechselnd anklammerndes und aggressiv-abweisendes Verhalten, sind nur schwer zu beruhigen | ||
| ständiger Wechsel von feinfühligem/abweisendem Verhalten der BP → für das Kind nicht zuverlässig, nachvollziehbar und vorhersagbar → ständige Aktivierung des Bindungssystems, um herauszufinden, in welcher Stimmung sich die Bindungsperson gerade befindet, was sie will und was sie braucht, damit es sich entsprechend anpassen kann (Abhängigkeit) → Einschränkung des Neugier- und Erkundungsverhaltens, fehlender Aufbau einer positiven Erwartungshaltung gegenüber der BP → erwarten keinen positiven Ausgang der Situation → Angst (vor fremden Personen und vor Raum) → permanenter Stress, auch bei Anwesenheit der BP | | ständiger Wechsel von feinfühligem/abweisendem Verhalten der BP → für das Kind nicht zuverlässig, nachvollziehbar und vorhersagbar → ständige Aktivierung des Bindungssystems, um herauszufinden, in welcher Stimmung sich die Bindungsperson gerade befindet, was sie will und was sie braucht, damit es sich entsprechend anpassen kann (Abhängigkeit) → Einschränkung des Neugier- und Erkundungsverhaltens, fehlender Aufbau einer positiven Erwartungshaltung gegenüber der BP → erwarten keinen positiven Ausgang der Situation → Angst (vor fremden Personen und vor Raum) → permanenter Stress, auch bei Anwesenheit der BP |
Version vom 30. Januar 2016, 15:54 Uhr
Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Bindungstheorie
Grundlagen
- Bindung (engl. attachment) = enge emotionale Beziehung zwischen Menschen
- psychologische Theorie: angeborenes Bedürfnis, enge Beziehungen zu Mitmenschen aufzubauen
- ab ca. 1940 systematische Untersuchungen, v.a. durch
- John Bowlby (Kinderpsychiater, England) → Heim für verhaltensauffällige Jugendliche
- James Robertson (Psychoanalytiker, Schottland) → Kinderheim von Anna Freud
- Mary Ainsworth (Psychologin, USA) → "Ugandastudie"
- basiert früher Mutter-Kind-Beziehung
- angeborenes Verhalten, evolutionäre Funktion: Schutz
- Trennungsangst → Bindungssystem ↑ → Zuwendung → Bindungssystem ↓ → Erkundungssystem
- Einflüsse von Konrad Lorenz → Prägung
- Untersuchung an Rhesusaffen: Affenjunge suchen körperliche Nähe zu Mutterattrappen, die mit Fell bedeckt sind, sie aber nicht füttern, aber nicht zu Drahtattrappen, die sie zwar füttern, aber nicht mit Fell bedeckt sind → Widerlegung der klassisch psychoanalytischen und lerntheoretischen These, dass die Beziehung zwischen einer Mutter und ihrem Kind hauptsächlich durch das Füttern bestimmt ist
- starke Anfeindungen von Psychoanalytikern (Melanie Klein, Anna Freud)
Bindungstheorie
- spezielle Bindung Kleinkind → Eltern/Bezugspersonen
- bei "Alarmsituation" (subjektiver Gefahr, Bedrohung, Angst, Schmerz) → emotionaler Stress → Wunsch nach Schutz und Beruhigung → Kontaktsuche der Bezugsperson (Blickkontakt, körperliche Nähe)
- Bindungsverhalten: beobachtbare Verhaltensweisen wie Lächeln, Schreien, Festklammern, Zur-Mutter-Krabbeln, Suchen der Bezugsperson → angeboren, genetisch vorgeprägt bei allen Primatenkindern
- während Explorationsverhalten häufige Rückversicherung durch Blickkontakt
- "inner working models" (Bowlby) = frühe Bindungserfahrungen sowie daraus abgeleitete Erwartungen an das Gegenüber → Interpretation und Voraussage des Verhaltens der Bindungsperson
- aus diesen "inner working models" → Bindungsrepräsentationen/Bindungsschemata
- späteres Bindungsverhalten = Ausdruck der erlebten Interaktion mit den Bezugspersonen
- Operationalisierung: "Fremde-Situations-Test"
- Vierphasenmodell der Bindungsentwicklung nach Bowlby
Vorphase | bis ca. 6 Wochen | noch keine Personenbindung |
---|---|---|
Personenunterscheidende Phase | 6. Woche bis ca. 6./7. Monat | zunehmend festere Bindung zu einer oder mehreren Personen (Eltern, Geschwister) → personenbezogenes Lächeln; stärkste Prägung → frühe Mutter-Kind-Interaktion → Generalisierung |
Eigentliche Bindung | 7./8. bis 24. Monat | mit Beginn der Lokomotion (Krabbeln) → Fähigkeit, sich zu Bezugsperson hinzubewegen oder Umgebung zu erkunden (Individuationsphase) → wachsende Objektpermanenz |
Zielkorrigierte Partnerschaft | ab 2 / 3 Jahren | versucht, das Verhalten des anderen je nach Situation zu beeinflussen |
- signifikante Zusammenhänge:
- sichere Bindung → psychische Stabilität
- unsichere Bindung → psychopathologische Störungen (BPS, emotionale und Impulskontrollstörungen, Angststörungen, Abhängigkeitserkrankungen)
- schlechte Erfahrung → dysfunktionale Erlebens-/Verhaltensmuster
- in Vergangenheit sinnvoll, in Gegenwart aber Anachronismen → selbsterfüllende Prophezeiungen:
- Selbstbild → Übertragung → dysfunktionales Verhalten → reziprokes verhalten der Umwelt → Bestätigung des negativen Selbstkonzeptes
- Zeichen der Loyalität gegenüber den (schädigenden) primären Bezugspersonen → Wunsch nach "Heilung"
Bindungstypen
- BP = Bezugsperson/Bindungsperson
Bindungstypen | Abk. | Beschreibung | Verhalten in Testsituation | Interpretation |
---|---|---|---|---|
Sicher | B-Typ | können Nähe und Distanz der BP angemessen regulieren
Bindungsverhalten ↔ Erkundungsverhalten |
kurzfristige Irritation, ggf. Weinen, wenn BP den Raum verlässt; lassen sich aber von Testerin trösten und beruhigen sich schnell wieder; spielen im Raum auch mit der Testerin; laufen der BP bei Rückkehr entgegen und begrüßen diese freudig | elterliche Feinfühligkeit (prompte Wahrnehmung, richtige Interpretation und angemessene Reaktion auf kindliche Signale → keine starke Frustration beim Kind) → Vertrauen in Verfügbarkeit der BP → Trenungsschmerz, aber Sicherheit: "Sie kommt zurück" |
Unsicher-vermeidend | A-Typ | zeigen Pseudounabhängigkeit von BP; auffälliges Kontakt-Vermeidungsverhalten, beschäftigen sich primär mit Spielzeug → Stress-Kompensation
Bindungsverhalten&darr ↔ Erkundungsverhalten↑ |
bei Trennung von BP scheinbar unbeeindruckt, weder ängstlich noch ärgerlich, aber starker Anstieg von Herzfrequenz und Cortisol (= Stress); spielen auffallend oft für sich allein; bei Rückkehr der BP bemerken sie diese kaum oder ignorieren sie; suchen eher die Nähe der fremden Person und meiden ihre eigentliche BP | häufige Zurückweisung durch BP → fehlende Zuversicht bezüglich der Verfügbarkeit ihrer BP; Erwartungshaltung, dass Wünsche grundsätzlich auf Ablehnung stoßen und ihnen kein Anspruch auf Liebe und Unterstützung zusteht; Ausweg aus der belastenden/bedrohlichen Situation des immer wieder Zurückgewiesen-Seins nur durch Beziehungsvermeidung (oder Überangepasstheit) |
Unsicher-ambivalent | C-Typ | verhalten sich widersprüchlich-anhänglich gegenüber der Bezugsperson
Bindungsverhalten&uarr ↔ Erkundungsverhalten↓ |
wirken bei Trennung massiv verunsichert, weinen, laufen zur Tür, schlagen gegen diese und sind durch Testerin kaum zu beruhigen; bei Rückkehr der BP abwechselnd anklammerndes und aggressiv-abweisendes Verhalten, sind nur schwer zu beruhigen | ständiger Wechsel von feinfühligem/abweisendem Verhalten der BP → für das Kind nicht zuverlässig, nachvollziehbar und vorhersagbar → ständige Aktivierung des Bindungssystems, um herauszufinden, in welcher Stimmung sich die Bindungsperson gerade befindet, was sie will und was sie braucht, damit es sich entsprechend anpassen kann (Abhängigkeit) → Einschränkung des Neugier- und Erkundungsverhaltens, fehlender Aufbau einer positiven Erwartungshaltung gegenüber der BP → erwarten keinen positiven Ausgang der Situation → Angst (vor fremden Personen und vor Raum) → permanenter Stress, auch bei Anwesenheit der BP |
Desorganisiert | D-Typ | deutlich desorientiertes, nicht auf eine Bezugsperson bezogenes Verhalten | Hauptmerkmal: bizarre Verhaltensweisen wie Erstarren oder stereotype Bewegungen (Im-Kreis-Drehen, Schaukeln, ...), daneben Mischformen der anderen Bindungsmuster, z.B. gleichzeitiges intensives Suchen nach Nähe und deren Ablehnung | wenn BP zugleich Bedrohung (z.B. Missbrauch/Misshandlung) oder sehr ängstlich (z.B. selbst traumatisiert, kein adäquates Eingehen auf Versorgungsbedürfnis des Kindes) → Doppelbotschaft / Double-Bind-Situation → Unmöglichkeit, eine einheitliche Bindungsstrategie zu entwickeln, um Schutz und Trost zu bekommen; |