Bindung
Aus psych-med
Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Bindungstheorie
Grundlagen
- Bindung (engl. attachment) = enge emotionale Beziehung zwischen Menschen
- psychologische Theorie: angeborenes Bedürfnis, enge Beziehungen zu Mitmenschen aufzubauen
- ab ca. 1940 systematische Untersuchungen, v.a. durch
- John Bowlby (Kinderpsychiater, England) → Heim für verhaltensauffällige Jugendliche
- James Robertson (Psychoanalytiker, Schottland) → Kinderheim von Anna Freud
- Mary Ainsworth (Psychologin, USA) → "Ugandastudie"
- basiert früher Mutter-Kind-Beziehung
- angeborenes Verhalten, evolutionäre Funktion: Schutz
- Einflüsse vonkonrad Lorenz → Prägung
- Untersuchung an Rhesusaffen: Affenjunge suchen körperliche Nähe zu Mutterattrappen, die mit Fell bedeckt sind, sie aber nicht füttern, aber nicht zu Drahtattrappen, die sie zwar füttern, aber nicht mit Fell bedeckt sind → Widerlegung der klassisch psychoanalytischen und lerntheoretischen These, dass die Beziehung zwischen einer Mutter und ihrem Kind hauptsächlich durch das Füttern bestimmt ist
- starke Anfeindungen von Psychoanalytikern (Melanie Klein, Anna Freud)
Bindungstheorie
- spezielle Bindung Kleinkind → Eltern/Bezugspersonen
- bei "Alarmsituation" (subjektiver Gefahr, Bedrohung, Angst, Schmerz) → emotionaler Stress → Wunsch nach Schutz und Beruhigung → Kontaktsuche der Bezugsperson (Blickkontakt, körperliche Nähe)
- Bindungsverhalten: beobachtbare Verhaltensweisen wie Lächeln, Schreien, Festklammern, Zur-Mutter-Krabbeln, Suchen der Bezugsperson → genetisch vorgeprägt bei allen Primatenkindern
- während Explorationsverhalten häufige Rückversicherung durch Blickkontakt
- "inner working models" (Bowlby) = frühe Bindungserfahrungen sowie daraus abgeleitete Erwartungen an das Gegenüber → Interpretation und Voraussage des Verhaltens der Bindungsperson
- aus diesen "inner working models" → Bindungsrepräsentationen/Bindungsschemata
- späteres Bindungsverhalten = Ausdruck der erlebten Interaktion mit den Bezugspersonen
- Operationalisierung: "Fremde-Situations-Test"
- Vierphasenmodell der Bindungsentwicklung nach Bowlby
Vorphase | bis ca. 6 Wochen | noch keine Personenbindung |
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Personenunterscheidende Phase | 6. Woche bis ca. 6./7. Monat | zunehmend festere Bindung zu einer oder mehreren Personen (Eltern, Geschwister) → personenbezogenes Lächeln; stärkste Prägung → frühe Mutter-Kind-Interaktion → Generalisierung |
Eigentliche Bindung | 7./8. bis 24. Monat | mit Beginn der Lokomotion (Krabbeln) → Fähigkeit, sich zu Bezugsperson hinzubewegen oder Umgebung zu erkunden (Individuationsphase) → wachsende Objektpermanenz |
Zielkorrigierte Partnerschaft | ab 2 / 3 Jahren | versucht, das Verhalten des anderen je nach Situation zu beeinflussen |
- signifikante Zusammenhänge:
- sichere Bindung → psychische Stabilität
- unsichere Bindung → psychopathologische Störungen (BPS, emotionale und Impulskontrollstörungen, Angststörungen, Abhängigkeitserkrankungen)
Bindungstypen
Bindungstypen | Abk. | Beschreibung | Verhalten in Testsituation | Interpretation |
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Sicher | B-Typ | können Nähe und Distanz der Bezugsperson angemessen regulieren | kurzfristige Irritation, ggf. Weinen, wenn Bezugsperson den Raum verlässt; lassen sich aber von Testerin trösten und beruhigen sich schnell wieder; spielen im Raum auch mit der Testerin; laufen der Bezugsperson bei Rückkehr entgegen und begrüßen diese freudig | elterliche Feinfühligkeit (prompte Wahrnehmung, richtige Interpretation und angemessene Reaktion auf kindliche Signale → keine starke Frustration beim Kind) → Vertrauen in Verfügbarkeit der Bindungsperson → Trenungsschmerz, aber Sicherheit: "Sie kommt zurück" und Freude bei Rückkehr |
Unsicher-vermeidend | A-Typ | zeigen Pseudounabhängigkeit von Bezugsperson; auffälliges Kontakt-Vermeidungsverhalten, beschäftigen sich primär mit Spielzeug → Stress-Kompensation | wirken bei Trennung von Bezugsperson unbeeindruckt; spielen auffallend oft für sich allein; bei der Wiederkehr der Bezugsperson bemerken sie diese kaum oder zeigen Ablehnung durch Ignorieren | |
Unsicher-ambivalent | C-Typ | verhalten sich widersprüchlich-anhänglich gegenüber der Bezugsperson | wirken bei Trennung massiv verunsichert, weinen, laufen zur Tür, schlagen gegen diese und sind durch Testerin kaum zu beruhigen; bei Wiederkehr der Bezugsperson abwechselnd anklammerndes und aggressiv-abweisendes Verhalten, sind nur schwer zu beruhigen | |
Desorganisiert | D-Typ | deutlich desorientiertes, nicht auf eine Bezugsperson bezogenes Verhalten | Hauptmerkmal: bizarre Verhaltensweisen wie Erstarren oder stereotype Bewegungen (Im-Kreis-Drehen, Schaukeln, ...); daneben Mischformen der anderen Bindungsmuster, z.B. gleichzeitiges intensives Suchen nach Nähe und deren Ablehnung |