Abwehrmechanismen

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Version vom 1. Mai 2017, 10:50 Uhr von Daniel (Diskussion | Beiträge)
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Grundlagen

  • Abwehr = Unbewusstmachen von psychischen Inhalten, Impulsen, Normen
  • Ziel: Schutz des Ichs gegen Triebansprüche = Es-Regungen unter Einfluss des Über-Ich
  • prinzpiell normal, nur pathologisch, wenn dadurch Einschränkung der Selbstwahrnehmung und Realitätsbewältigung
  • Ziel der Therapie grundsätzlich Ich-Stärkung → Selbstwahrnehmung, Integration von Impulsen → Bewusstmachung der Abwehr als zentrale Methode
  • Gründe:
    • Realangst
    • Über-Ich-Angst
    • Angst vor Triebstärke
  • Formen:
    • Triebabwehr
    • Affektabwehr
    • permanente Abwehr → erstarrte Abwehrmechanismen, "Charakterpanzerung" (Wilhelm Reich)
    • neurotische Symptombildung

Stufen nach Funktionsniveau

Stufe Mechanismen Selbstgefühl, Ich-Identität Objektbeziehung Realitätsprüfung
"reif"
gesund
  • Altruismus
  • Humor
  • Antizipation
  • Unterdrückung (DD Verdrängung!)
  • Sublimation
     
neurotisch
  • Verdrängung
  • Rationalisierung/Intellektualisierung
  • Isolierung
  • Ungeschehenmachen
  • Reaktionsbildung
integriertes Selbstkonzept, ungestörte Ich-Identität Trennung von Selbst und Objekt intakt
unreif
Borderline
  • Spaltung
  • Verleugnung
  • Projektion, projektive Identifikation
  • Fantasieren
  • Idealisierung / Entwertung
  • Hypochondrie
Identitätsdiffusion partielle Verschmelzungsfantasien, teilweise angewiesen auf real präsentes Objekt weitgehend erhalten
psychotisch
  • Paranoia
  • Halluzinationen
  • Größenwahn
  • Spaltung
  • Projektion
  • Verleugnung
Identitätsdiffusion totale Verschmelzungsfantasien, angeweisen auf real präsentes Objekt aufgehoben

Abwehrformen

Name Mechanismus
Verdrängung Unbewusstmachen psychischer Inhalte und Affekte → Zurückweisen von Impulsen. "Grundabwehr", kann bei jeder Abwehrleistung vorhanden sein. DD Unterdrückung = willentlich-bewusst
Verleugnung Unbewusstmachen äußerer Reize, Bedeutung wird emotional nicht erlebt und rational nicht anerkannt
Verneinung Form der Verleugnung, Negierung eines Sachverhalts, "intellektuelle Annahme des Verdrängten bei Fortbestand des Wesentlichen an der Verdrängung" (Freud): "Ich empfinde überhaupt nichts für XXX"
Vermeidung vermeiden von Schlüsselreizen, die Triebregungen verursachen könnten
Verschiebung beängstigende Affekte, Phantasien, Impulse auf eine Person werden auf eine andere verschoben
Regression Rückzug auf frühere Entwicklungsstufe der Ich-Funktion (Trieb- oder Ich-Regression) → Trotzverhalten, Fresslust, Versorgungswünsche
Progression Gegenstück zur Regression → Flucht in spätere Entwicklungsstadien; bei Kindern/Jugendlichen anzufinden; oft im Wechsel mit Regression über das Ausgangsniveau hinweg
Reaktionsbildung Abwehr eines unbewussten Triebimpulses durch entgegengesetzte Verhaltensweise/Motive, z.B. Mitleid statt Aggression; kann bewusst, unbewusst oder teilweise bewusst sein
Isolierung unerfüllbarer Wunsch erscheint in entstellter Form, wird dadurch als fremd erlebt → häufig bei Zwangsstörungen (z.B. Aggression/Todeswunsch gegen Vater → Angst, jemanden aus Versehen im Straßenverkehr zu verletzen)
Affektisolierung Fehlen/Dämpfung eines normalerweise spontan auftretenden Gefühls in einer bestimmten Situation
Ungeschehenmachen unwirksame Handlungen/Rituale (z. B. auf Holz klopfen) → magisches Denken, Aberglaube
Projektion Triebimpuls/Motiv/Absicht wird anderer Person zugeschrieben → Selbstwahrnehmung verzerrt
Projektive Identifizierung "negative" Selbstanteile (meist Aggression) wird abgespalten und auf Gegenüber projiziert; dann wird Gegenüber so manipuliert, dass es sich entsprechend verhält (sich mit der Projektion identifiziert), um dann den abgespaltenen Anteil im Gegenüber zu bekämpfen/kotrollieren → intrapsychischer Konflikt wird interpersonell inszeniert / externalisiert → Stabilisation des innerpsychischen Gleichgewichts auf Kosten der Beziehung zu anderen; typisch für Borderline

von Melanie Klein eingeführt, von Wilfred Bio weiterentwickelt: Kommunikation zwischen Mutter/Kind → Mutter als Container → Metabolisierung ("Verdauung"), Interaktion, Reintrojektion

Autoaggression,
Wendung gegen das Selbst
Gegenstück der Projektion: aggressive Impulse gegen anderer Person werden gegen eigene Person gerichtet → Stabilisation der interpersonellen Beziehung auf Kosten eines intrapsychischen Konfliktes
Introjektion,
Identifikation
Angst vor Bedrohungen von außen → "Einverleiben" von Verhalten, Meinung, Werten einer anderen Person in die Ich-Struktur → Reduktion der Angst / Bedrohung von außen
Identifikation mit dem Aggressor: Verantwortung/Schuld wird sich selbst zugeschrieben, Einstellung/Verhalten des Angreifers übernommen → Abwehr unerträglicher Angst-/Hilflosigkeits-/Ohnmachtsgefühle, Rückerlangung von Kontrolle (typisch für PTSD)
Sublimierung,
Sublimation
Ersatz/Befriedigung eines Triebwunsches durch gesellschaftlich höher bewertete Handlungen, z.B. Aggression → Sport, Libido → Kunst, Medizin, Neugier → Wissenschaft; gilt als "reif", oft nicht psychopathologisch, nach Freud "Motor für Kulturentwicklung"
Spaltung Unfähigkeit, Ambivalenz zu ertragen → Objekte/Selbst werden in "gut"/"böse" aufgeteilt → Idealisierung/Abwertung, schneller Wechsel zwischen Affekten; typisch für Borderline; Überwindung: Fähigkeit, Gutes im Schlechten zu erkennen und Negative im Guten zu akzeptieren
Intellektualisierung Distanzierung von konflikthaftem Affekt durch Abstraktionsbildung/theoretisches Analysieren, z.B. Fachsimpeln unter Therapeuten über sexuelle Störungen der Patienten
Rationalisierung emotionale Bedeutung wird ignoriert/unterbewertet, rational-logische Motive als alleiniger Grund für eigene Handlung angesehen/vorgeschoben
Somatisierung Nicht-Wahrnehmen eines Konflikts, Ausdruck/Wahrnehmung nur in Form körperlicher Beschwerden (ohne symbolische Bedeutung)
Konversion Symbolische Darstellung des Konfliktes auf körperlicher Ebene (in der Regel neurologische Symptome) → Hysterie (z.B. Blindheit, Lähmung)
Affektualisierung Ereignis oder Verhalten wird dramatisiert → Hysterie
Entwertung,
Idealisierung
Objekte werden unbewusst entwertet oder überhöht → typisch für Borderline mit Spaltung
Objektneutralisierung Objekte werden für unwesentlich, unwichtig gehalten (→ Verleugnung) → Vermeidung emotionaler Beziehungen, die als bedrohlich erlebt wird
Selbstneutralisierung Selbst wird für unwichtig gehalten, nur zu erreichenden Ziele zählen → z.B. Schutz vor Selbstvorwürfen
Depersonalisation Veränderung der Körperwahrnehmung → oft bei Dissoziation; Schutzfunktion sowohl vor äußerer Bedrohung des Selbst als auch vor innerer Bedrohung (z.B. aggressive Impulse)
Derealisation Umwelt wird verändert erlebt, manchmal mit Symbolgehalt