Autismus

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Grundlagen

  • angeborene, unheilbare, tiefgreifende Entwicklungsstörung der Wahrnehmungs- und Informationsverarbeitung
  • Kennzeichen:
    1. Probleme in sozialer Interaktion
    2. Probleme in Kommunikation
    3. stereotype Verhaltensweisen
  • oft Stärken bei Wahrnehmung, Aufmerksamkeit, Gedächtnis und Intelligenz
  • aktuell noch Unterscheidung:
    • frühkindlicher Autismus = Kanner-Syndrom
    • Asperger-Syndrom
  • sehr variable Ausprägungen mit fließenden Übergängen → Autismusspektrum-Störungen (ASS)
  • Prävalenz: 2-3%
  • m:w = 2:1
  • Prävalenz steigend:
    • häufigere Diagnose
    • erweiterte Definition
    • früher "kindliche Schizophrenie" oder ADHS
  • Ätiologie/Pathogenese: atypische Konnektivität mit Überspezialisierung

Symptome

  • Sozialverhalten:
    • Schwierigkeiten, mit anderen Menschen zu sprechen, Gesagtes richtig aufzufassen, Mimik und Körpersprache einzusetzen und zu verstehen
    • kein/kaum Blickkontakt
    • stereotypes oder ritualisiertes Verhalten
  • Inselbegabung = Savants:
    • nur kleiner teil der Autisten
    • umgekehrt 50% der Savants Autisten
  • Unterscheidung:
  frühkindlicher Autismus Asperger-Syndrom
auffällig ab 10.–12. Lebensmonat 3.-4. Lebensjahr
Sprache fehlende/verzögerte Sprachentwicklung, anfangs oft Echolalie frühe Spracheentwicklung, oft stilistisch hoher Sprachstil, aber Probleme beim Verstehen von Metaphern und Ironie
Intelligenz Unterteilung Low/Intermediate/High Functioning Autism (LFA, IFA, HFA)
  • LFA: geistige Behinderung
  • HFA: normale bis hohe Intelligenz, fließender Übergang zu Asperger-Syndrom
normale bis hohe Intelligenz, teilweise Hochbegabung
Motorik keine Auffälligkeiten häufig motorische Störungen, Ungeschicklichkeit, Koordinationsstörungen
    1. atypischer Autismus: erfüllt nicht alle Diagnosekriterien oder zeigt sich erst nach dem dritten Lebensjahr

Diagnose

  • ICD-10:
    • F84.0: frühkindlicher Autismus = Kanner-Syndrom
    • F84.1: atypischer Autismus
    • F84.10: mit atypischem Erkrankungsalter
    • F84.11: mit atypischer Symptomatik
    • F84.12: mit atypischem Erkrankungsalter und atypischer Symptomatik
    • F84.5: Asperger-Syndrom
  • DSM-IV:
A mind. 6 Kriterien, davon mind. 2 aus (1) und je eines aus (2) und (3):
  1. Beeinträchtigung der sozialen Interaktion in mind. 2 Bereichen:
    • ausgeprägte Beeinträchtigung nonverbaler Verhaltensweisen (Blickkontakt, Gesichtsausdruck, Körperhaltung, Gestik) zur Steuerung sozialer Interaktionen
    • Unfähigkeit, Beziehungen zu Gleichaltrigen aufzubauen
    • Mangel an spontanen Bestrebungen, Freude, Interessen oder Erfolge mit anderen zu teilen
    • Mangel an sozialer oder emotionaler Gegenseitigkeit
  2. Beeinträchtigungen der Kommunikation in mind. 1 Bereich:
    • verzögertes Einsetzen oder völliges Ausbleiben der Sprachentwicklung (ohne Kompensation durch Gestik oder Mimik)
    • trotz ausreichendem Sprachvermögen deutliche Beeinträchtigung der Fähigkeit, ein Gespräch zu beginnen oder fortzuführen
    • stereotyper oder repetitiver Gebrauch der Sprache oder idiosynkratische Sprache
    • Fehlen entwicklungsgemäßer Rollenspiele oder Imitationsspiele
  3. repetitive und stereotype Verhaltens-, Interessens- und Aktivitätsmuster in mind. 1 Bereich:
    • eingehende Beschäftigung innerhalb eines oder mehrerer stereotyper und begrenzter Interessenmuster, wobei entweder Schwerpunkt oder Intensität der Beschäftigung abnorm sind
    • auffällig unflexibles Festhalten an bestimmten nichtfunktionalen Gewohnheiten oder Ritualen
    • stereotype und repetitive motorische Manierismen
    • beharrliche eingehende Beschäftigung mit (Teilen von) Objekten
B Verzögerungen oder abnorme Funktionsfähigkeit in mind. 1 der folgenden Bereiche, Beginn vor dem dritten Lebensjahr:
  • soziale Interaktion,
  • Sprache als soziales Kommunikationsmittel
  • symbolisches oder Fantasiespiel
C Ausschluss das Rett- oder Heller-Syndrom
  • ICD-11 7 DSM 5: keine Kategorien mehr, nur noch Autismus-Spektrum-Störung
1 soziale Kommunikation: mind. 1 aus jedem Bereich:
    1. merkwürdige Kontaktaufnahme ODER Unfähigkeit, Gespräche aufrechtzuerhalten ODER keine Gespräche starten
  1. kaum Verwendung von Mimik und Gestik ODER Auffälligkeiten bei Blickkontakt ODER Defiziten beim Verständnis nonverbaler Kommunikation
  2. Defizite bei der Aufnahme und Aufrechterhaltung von Beziehungen
2 Stereotypien und Rituale: mind. 2
  1. Stereotypien ODER repetitive Bewegungen ODER Echolalie
  2. Routinen
  3. Spezialinteresse
  4. Hyper- bzw. Hyporeaktivität auf sensorische Reize oder andere Reize

Therapie

  • keine kausale Therapie möglich
  • KVT:
    • Abbau störender und unangemessener Verhaltensweisen (Stereotypien, (auto)aggressives Verhalten)
    • Aufbau sozialer und kommunikativer Fertigkeiten
    • v.a. über positive Verstärkung
    • spezielle Programme:
      • Angewandte Verhaltensanalyse (Applied Behavior Analysis, ABA): v.a. operantes Konditionieren, Frühförderung
      • TEACCH (Treatment and Education of Autistic and related Communication-handicapped Children): v.a. Strukturierung und Visualisierung
  • Elterntraining:
    • Zusammenhang zwischen Stressbelastung der Eltern und Verhaltensproblemen ihrer Kinder → Stressreduktion
    • spezielles programm: "NAS EarlyBird", dreimonatiges Trainingsprogramm für Eltern
  • Medikamente:
    • für Begleitsymptome (Angst, Depression, Aggressivität, Zwänge)
    • Antidepressiva (SSRI), atypische Neuroleptika, Benzodiazepinen
    • CAVE: bei falscher Anwendung oft Verschlechterung
  • sonstiges:
    • Musik-/Kunsttherapie
    • Massagetherapie ("sqeeze machine")
    • Pferde-/Delfintherapie
  • nicht empfohlen:
    • Festhaltetherapie
    • gestützte Kommunikation
    • Daily-Life-Therapie (körperliche Anstrengung)
    • Ernährungstherapien