Paartherapie

Aus psych-med

Indikation

  • Beziehungskonflikte
  • sexuelle Probleme

Begriffe

  • DD Paartherapie - Eheberatung
  • DD Paartherapie - Sexualtherapie → kaum zu trennen
  • Ehequalität: korreliert mit Kommunikations- und Problemlöseferigkeiten

Theorien

Balance-Theorie (John Gottman)

  • Modell der triadischen Balance:
    1. Kommunikation/Interaktion: positiv vs. negativ
    2. Wahrnehmung: Wohlfühlen vs. Leiden
    3. Psychophysiologie: Erregung vs. Beruhigung
  • der "Kommunikationsfaktor":
    • positive/negative Kommunikationsereignisse pro Zeiteinheit
    • bei stabilen Beziehungen = 5:1
  • "vier apokalyptische Reiter einer Paarbeziehung" = typische Kommunikationsmuster
    1. Kritik: Schuldzuweisungen und Anklagen, Höhepunkt: generelle Verurteilung des Partners
    2. Verachtung: Geringschätzung des Partners
    3. Defensivität: Verteidigung mit Rechtfertigung und Verleugnung der eigenen Anteile, die zum Konflikt beitragen
    4. Rückzug: Mauern, Dichtmachen
    5. Demonstration der eigenen Macht (nach Bas Kast)

Kollusion (Jürgen Willi)

  • "Kollusion":
    • unbewusstes Einvernehmen, abgestimmtes Zusammenspiel
    • neurotische Dispositionen → "Schlüssel und Schloss"
    • Partner haben unverarbeitete Konflikte, leben in Beziehung entgegengesetzte, sich ergänzende "Lösungsvarianten" aus
    • "spielen" unbewusst stereotype, wechselseitig komplementäre Ergänzungsrollen
    • initial Stabilisierung der Beziehung, im verlauf aber häufig zunehmende Polarisierung → Belastung für einen/beide (z.B. Unterwerfung/Dominanz, Autonomie/Abhängigkeit)
  • "Koevolution"
  • "persönliche Nische"
  • "wirkungsgeleiteter Lebenslauf"
  • "ökologische Psychotherapie"

Zwangsprozess (Patterson & Reid)

  • kaum Einsatz positiver Verstärkung, dafür Bestrafung
  • Reziprozität
    • → gegenseitige negative Verstärkung → Eskalation
    • → gegenseitige Reduktion positiver Interaktionen

Therapie

Verhaltenstherapeutische Ansätze

Verhaltenstherapeutische Ehe- und Paartherapie (VET)

  • "Reziprozitätstraining"
  • Ziele:
    • Unterbrechung des Zwangsprozesses
    • Wiederaufbau positiver Reziprozität
  • Komponenten:
    1. Verhaltensanalyse: Problembereiche erfassen, Ressourcen herausarbeiten, "Ehe-Philosophie" klären
    2. Psychoedukation
    3. Maßnahmen zur Steigerung positiver Reziprozität
      • Wahrnehmungsverbesserung (Fokus auf positive Erlebnisse9, Verwöhnungstage
    4. Kommunikationstraining
      • Sprecherrolle: Ich-Botschaften, konkrete Situationen, konkretes Verhalten, beim Thema bleiben
      • Zuhörerrolle: aufnehmend zuhören, zusammenfassen, offene Fragen stellen, loben
    5. Probemlösetraining
      • Konfliktgespräch: Themen von "wenig Bedeutung" zu "großer Bedeutung" hierarchisieren → Erfolgswahrscheinlichkeit erhöhen
        1. Gedanken und Gefühle beim Problem herausarbeiten
        2. Bedürfnisse und Wünsche erkennen
        3. Änderungswünsche konkret formulieren
        4. gemeinsame Absprachen treffen: Ausgewogenheit, schriftlich fixieren, Saktionen, überprüfen
    6. kognitive Methoden:
      • ungünstige Attributionen (interne Merkmale)
      • vorhersage zukünftigen Verhaltens: Gefahr selbsterfüllender Prophezeiungen
      • unrealistische Erwartungen (Denkfehler)
  • Sexualität ansprechen: evtl. Sensualitätstraining

Integrative Verhaltens-Paartherapie (IBCT)

  • 3.-Welle-Therapie → Fokus auf gefühlsmäßige Reaktionen der Partner und Akzeptanz
  • dialektischer Ansatz: Akzeptanz + Veränderung
  • Beginn mit Akzeptanz-Strategien, um die Partner für eine Zusammenarbeit in Richtung Veränderung zu gewinnen
  • Grundannahmen:
    • jeder Partner hat Gefühle, diese sind nachvollziehbar
    • jeder Partner hat eine Geschichte, die Sinn macht
    • jeder Partner hat seine individuelle "Wahrheit" bezüglich Beziehungen
    • jeder Partner hat eine Position gegenüber einem Problem, die wert ist, Aufmerksamkeit zu bekommen und überlegt zu werden
  • Komponenten:
    1. zentrales Thema des Paarkonflikts herausarbeiten → Unterschiede/Unverträglichkeiten der Partner (z.B. Bindungs-Autonomiewünsche)
    2. individuelle "wunden" Punkte/Verletzlichkeiten als Folge von Konstitution und Lebenserfahrungen annehmen und erforschen (z.B. Umgang mit Kritik)
    3. Funktionalität der Bewältigungsstrategien beider Partner untersuchen → oft führen Lösungsversuche des "primären Problems" zu zusätzlichen "sekundären" Problemen und weiteren Konflikten
    4. Gefühle von Hilflosigkeit und Hoffnungslosigkeit → erhöhte Anstrengung → noch mehr Verzweiflung.
  • drei grundlegenden Methoden:
    1. Empathetic Joining: Fokus auf Gefühle, die normalerweise nicht ausgedrückt werden → besseres Verständnis, Funktionalität
    2. Unified Detachment: Distanzierung vom Problem durch "objektive", intellektuelle Betrachtung und Metakommunikation, "detektivisches" Erforschen von Reaktionsketten (Metaphern, Humor) → Ziel "relationship mindfulness" = Wahrnehmen von Interaktionsmustern und inneren Vorgängen in beiden Partnern
    3. Tolerance Building: nicht "Lösen" von Problemen/Konflikten (immer vorhanden), sondern besserer Umgang mit den Problemen

Tiefenpsychologische Ansätze

  • interpersonelle Konflikte, repetitive Interaktionsmuster
  • Mehrgenerationenperspektive (tradierte Konfliktmuster)
  • Dynamik von Verdienst, Vermächtnis, Loyalität → intrafamiliäre Balance
  • Bezogenheit:
    • unterindividuiert: zu wenig Individualität, Dependenz
    • überindividuiert: distanziert, emotional wenig verbunden
  • Rollenzuweisungen: unbewusste Zuschreibungen (Selbstbilder, Objektbeziehungsmuster)
  • Delegation: "Aufträge" über Generationen hinweg
  • Parentifizierung: Kinder übernehmen Elternrolle
  • Familiengeheimnisse, "Mythen"

David Schnarch - "Crucible-Ansatz"

  • Prinzip: besser Differenzierung des Selbst (nach Murray Bowen)
  • Four Points of Balance ™ - Vier Aspekte der Balance:
    1. Solid Flexible Self ™ - Stabiles und flexibles Selbst: die Klarheit darüber, wer Sie sind, was Sie wollen und welche Ziele Sie haben - insbesondere, wenn Ihr Partner Sie dazu drängt, sich seinen Vorstellungen anzupassen - auch angesichts von Widrigkeiten die eigenen Ziele und den eigenen Wert im Auge behalten
    2. Quiet Mind - Calm Heart ™ - Stiller Geist - ruhiges Herz: die Fähigkeit, sich selbst zu beruhigen, heilsam auf die eigenen Verletzungen einzuwirken und die eigenen Ängste zu verringern - den eigenen Kummer lindern und emotionale Wunden pflegen
    3. Grounded Responding ™ - Maßvolles Reagieren: die Fähigkeit, ruhig zu bleiben und nicht überzureagieren, statt Distanz zu schaffen oder davonzulaufen, wenn der Partner in Angst verfällt oder aufgebracht ist
    4. Meaningful Endurance ™ - Sinnvolle Beharrlichkeit: die Fähigkeit, Ihre Bemühungen zu intensivieren und sich mit den Problemen, die Sie verwirren und mit denen Sie in Ihrer Beziehung ringen, auseinanderzusetzen, sowie die Fähigkeit und Bereitschaft, Unbehagen um des Wachstums willen zu ertragen - schwierige Situationen ertragen und schwierige Dinge in Angriff nehmen um zu erreichen, was Sie wollen
  • Strategie zur Bewältigung schwieriger Beziehungssituationen:
    1. Machen Sie sich klar, dass es sich bei Ihrer Situation um einen Differenzierungsprozess (= Wachstumsprozess) handelt
    2. Erkennen Sie, dass Sie dabei sind, Ihr emotionales Gleichgewicht zu verlieren
    3. Gliedern Sie Ihr Problem im Sinne der Vier Aspekte. Das hilft Ihnen, sich zu vergegenwärtigen, womit Sie Schwierigkeiten haben und was Sie tun müssen, um diese zu überwinden
    4. Benutzen Sie, um in einer schwierigen Situation fokussiert zu bleiben, das Mantra: "Bleib bei Dir! Behalte im Auge, was wichtig ist. Beruhige Deinen Geist. Reagiere nicht übertrieben stark. Bleibe geerdet. Durch sinnvolle Beharrlichkeit erreichst Du, was Du willst."
  • Quelle: David Schnarch: Imtimität und Verlangen - Sexuelle Leidenschaft in dauerhaften Beziehungen