Schematherapie: Unterschied zwischen den Versionen

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== Therapie ==


Um die vom Patienten gewünschte Veränderung in seinem Leben erreichen zu können, müssen in einer ersten Phase der Einschätzung und Edukation die Schemata bzw. Modi identifiziert werden, die bewirken, dass er bestimmte unerwünschte Verhaltensweisen immer wieder ausführt. Dabei wird der Patient über die Grundannahmen und das Vorgehen der Schematherapie informiert, es erfolgt eine Einschätzung der aktuellen Probleme und eine Problemanamnese und der Therapieziele. Mithilfe von Fragebögen werden die maladaptiven Schemata identifiziert und im Gespräch mit dem Patienten überprüft. Dabei wird dieser auch informiert über die Annahmen des Therapeuten. Dieser erstellt daraufhin ein Fallkonzept. Danach tritt die Therapie in die zweite Phase der Veränderung ein. In den beiden Therapiephasen kommen fünf Interventionsprinzipien zum Einsatz: 1.) Einschätzung und Edukation über Schemata, 2.) Kognitive Interventionen, 3.) Erlebnisbasierte Interventionen, 4.) Unterbrechung maladaptiver Verhaltensmuster, bei der auch mit Hilfe bewährter Methoden aus der Verhaltenstherapie die Überwindung der unerwünschten Verhaltensmuster erreicht werden soll. Als 5. Interventionsprinzip wird auch die Beziehung zwischen dem Therapeuten und dem Patienten als Mittel zur Veränderung eingesetzt. Damit das unerwünschte Verhalten nicht automatisch wieder ausgeführt wird, erarbeitet der Patient innerhalb der Therapie Wege, eine „innere Distanz“ zu seinen eingefahrenen Verhaltensmustern herzustellen. Dazu erhält er den Auftrag, das eigene Verhaltensrepertoire wertfrei aus einem Abstand zu beobachten und zu analysieren. Die wertfreie Beobachtung soll Selbsterkenntnis und Verstehen der Ursachen der vom Patienten unerwünschten Verhalten ermöglichen. Aus der Selbsterkenntnis heraus kann der Patient in der nächsten entsprechenden Situation bewusster handeln, der „Falle alter Verhaltensmuster“ entgehen und für diese Situationen neue, von ihm erwünschte Handlungsmuster entwerfen.
Als Hilfsmittel für eine Distanzierung zu den eigenen Gefühlen, zum Verstehen der alten sowie zum Erarbeiten der neuen Verhaltensmuster, wird die therapeutische Spaltung/Dissoziation eingesetzt. Das ist eine therapeutisch erwünschte und bewusst herbeigeführte Aufspaltung in verschiedene Aspekte der eigenen Persönlichkeit, die bildhaft vorstellbar/Imagination sind, beispielsweise das Innere Kind in unterschiedlichen Erscheinungsformen/Modi wie: verletztes, verärgertes, undiszipliniertes oder glückliches Kind.[4] S.341/2
Innerhalb der Behandlung leitet der Therapeut Imaginationen an, und übernimmt beispielsweise im imaginativen Rollenspiel einen Part der Eltern. Dabei bietet er dem Patienten über das sogenannte „Reparenting“ die elterlichen Qualitäten an, die fehlten. Je nach Problematik und bestehenden Schemata kann dies elterliche Fürsorge sein, Stärkung des Vertrauens, Vermittlung von Stabilität, emotionale Zuwendung, Fördern der Unabhängigkeit. Das Ziel der therapeutischen Arbeit besteht darin, entsprechend dem Vorbild des Therapeuten den Schemamodus „gesunder Erwachsener“ zu verinnerlichen. Mit dessen Hilfe soll der Patient zukünftig die Wirkung maladaptiver Schemata erkennen und gesunde Verhaltensweisen entwickeln können, also erlernte Automatismen durch zielgerichtete, bewusste und angemessene Handlungen ersetzen.[4]S.233
Der zugehörige therapeutische Prozess arbeitet mit innerer Distanzierung, bewusster Wahrnehmung, sehr detaillierter Betrachtung und Benennung der verschiedenen Aspekte der Verhaltensgrundmuster.


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Version vom 8. Februar 2016, 16:10 Uhr

Grundlagen

  • "dritte Welle" der KVT
  • Jeffrey E. Young
  • Weiterentwicklung der "kognitiven Therapie für Persönlichkeitsstörungen" (A. Beck)
  • Hypothese: erlernte Grundschemata → Befriedigung von Grundbedürfnisse → Verhaltenssteuerung
  • v.a. für Pat. mit schweren Persönlichkeitsstörungen
  • Schema = Muster aus Erinnerungen, Emotionen, Kognitionen, Körperempfindungen
  • "frühe maladaptive Schemata" =
    • "ein weitgestrecktes, umfassendes Thema oder Muster,
    • das aus Erinnerungen, Emotionen, Kognitionen und Körperempfindungen besteht,
    • die sich auf den Betreffenden selbst und seine Kontakte zu anderen Menschen beziehen,
    • ein Muster, das in der Kindheit oder Adoleszenz entstanden ist,
    • im Laufe des weiteren Lebens stärker ausgeprägt wurde und
    • stark dysfunktional ist."
    • entstehen durch wiederholte schädigende Erlebnisse in Kindheit und Adoleszenz
      • traumatische Erlebnisse
      • Nichterfüllung/Übererfüllung ("Zuviel des Guten") wesentlicher Grundbedürfnisse durch frühe Bezugspersonen
      • selektive Internalisierung bzw. Identifikation mit wichtigen Bezugspersonen
    • Aufrechterhaltung durch Wunsch nach Konsistenz → Schema fühlt sich aufgrund seiner Vertrautheit als "richtig" → Attraktivität (→ psychodynamisch: unbewusster neurotischenr Konflikt, repetitiv-dysfunktionales Schema)
    • Schemata = (psychodynamisch) Introjekt + Emotionen/Körperempfindungen/Erinnerungen → starke Resistenz gegen Änderungen
  • dysfunktionale Verhaltensweisen = Reaktion auf Schema (nicht Teil des Schemas)
  • Therapie:
    • Identifikation der wirksamen Schemata
    • Verständnis der Entwicklung der Schemata
    • Behandlungsstrategie → nur durch erlebnis- und handlungsorientierte Anteile verhaltensändernd wirksam
    • therapeutische Beziehung → durch Therapeut nachträglich (begrenzte) elterliche Fürsorge → Erkennung und Erfüllung seiner Kernbedürfnisse

maladaptive Schemata

Domäne Schema
1. Abgetrenntheit und Ablehnung
  • 1. Verlassenheit/Instabilität
  • 2. Misstrauen/Missbrauch
  • 3. Emotionale Entbehrung
  • 4. Unzulänglichkeit/Scham
  • 5. Soziale Isolierung/Entfremdung
2. Beeinträchtigung von Autonomie und Leistung
  • 6. Abhängigkeit/Inkompetenz
  • 7. Anfälligkeit für Schädigungen oder Krankheiten
  • 8. Verstrickung/Unentwickeltes Selbst
  • 9. Versagen
3. Beeinträchtigungen im Umgang mit Begrenzungen
  • 10. Anspruchshaltung/Grandiosität
  • 11. Unzureichende Selbstkontrolle/Selbstdisziplin
4. Fremdbezogenheit
  • 12. Unterwerfung
  • 13. Selbstaufopferung
  • 14. Streben nach Zustimmung und Anerkennung
5. Übertriebene Wachsamkeit und Gehemmtheit
  • 15. Negativität/Pessimismus
  • 16. Emotionale Gehemmtheit
  • 17. Überhöhte Standards/Übertrieben kritische Haltung
  • 18. Bestrafen
  • bedingungslos gültig → frühe Entstehung
  • bedingt gültig → spätere Entstehung (teils als Reaktion auf frühes Schema)
    • Unterwerfung
    • Selbstaufopferung
    • Streben nach Zustimmung und Anerkennung
    • Emotionale Gehemmtheit
    • Überhöhte Standards/Übertrieben kritische Haltung


Bewältigungsstile und Bewältigungsreaktionen

  • drei maladaptive Bewältigungsstile = Ansammlung von Bewältigungsreaktionen, um sich dem Schema anzupassen
  • Situation → Schema → Bewältigungsstil → Bewältigungsreaktion
Bewältigungsstil Bewältigungsreaktion
Sich-Fügen in Schema fügen, "Kinderrolle " übernehmen, z. B. Partnerwahl, die ihn so behandeln, wie es der verletzende Elternteil getan hat
Überkompensation entgegengesetzt zu dem Schema verhalten (z. B. Schema "Unzulänglichkeit" → Perfektion; Schema "Unterwerfung" → andere unterwerfen)
Vermeiden verhalten, dass Schema möglichst nicht aktiviert wird (z.B. Gefühle unterdrücken, Alkohol trinken, Zwang entwickeln, Beziehungen oder Herausforderungen vermeiden)

Schemamodi

  • Schemamodi = Schemata, die bei einem Menschen in einem konkreten Augenblick aktiv sind
  • funktional/dysfunktional sein
  • dysfunktionale Schemamodi = Teile des Selbst, die in mehr oder minder starkem Maße von anderen Aspekten des Selbst abgeschnitten
  • bei BPS → sehr große Zahl von Schemata und Bewältigungsreaktionen in ständigem Wechsel
  • können in der Therapie auch individuelle Namen erhalten, die Patient passend findet
  • 10 Schemamodi in 4 Kategorien:
Kategorie ! Schemamodus
1. Kind-Modi
  • 1. verletzbares Kind (auch: verlassenes, missbrauchtes, misshandeltes, Entbehrung erlebendes, zurückgewiesenes Kind)
  • 2. verärgertes Kind (wegen Nichterfüllung seiner Bedürfnisse; handelt, ohne an die Folgen zu denken)
  • 3. impulsives/undiszipliniertes Kind (handelt rücksichtslos nach seinen seinen Wünschen/Neigungen, ohne an die Konsequenzen zu denken)
  • 4. glückliches Kind (zentrale emotionale Bedürfnisse sind im Moment erfüllt)
2. Dysfunktionale Bewältigung
(→ Bewältigungsstile)
  • 5. bereitwillig Sich-Ergebender (unterwirft sich dem Schema, wird zum passiven, hilflosen Kind, das anderen nachgibt)
  • 6. Überkompensierender (wehrt sich, indem er andere schlecht behandelt oder andere extreme Verhaltensweisen zeigt, um das Schema zu widerlegen)
  • 7. distanzierter Beschützer (löst sich emotional vom Schema, praktiziert Substanzmittelmissbrauch, meidet andere oder praktiziert andere Formen der Flucht)
3. Dysfunktionale Eltern-Modi
  • 8. strafender Elternteil (straft den Kind-Modus, weil dieser angeblich "böse" ist)
  • 9. fordernder Elternteil (drängt das Kind ständig, übertrieben hohen Anforderungen zu genügen)
4. gesunder Erwachsener
  • 10. soll in der Therapie gestärkt werden

Therapie

Um die vom Patienten gewünschte Veränderung in seinem Leben erreichen zu können, müssen in einer ersten Phase der Einschätzung und Edukation die Schemata bzw. Modi identifiziert werden, die bewirken, dass er bestimmte unerwünschte Verhaltensweisen immer wieder ausführt. Dabei wird der Patient über die Grundannahmen und das Vorgehen der Schematherapie informiert, es erfolgt eine Einschätzung der aktuellen Probleme und eine Problemanamnese und der Therapieziele. Mithilfe von Fragebögen werden die maladaptiven Schemata identifiziert und im Gespräch mit dem Patienten überprüft. Dabei wird dieser auch informiert über die Annahmen des Therapeuten. Dieser erstellt daraufhin ein Fallkonzept. Danach tritt die Therapie in die zweite Phase der Veränderung ein. In den beiden Therapiephasen kommen fünf Interventionsprinzipien zum Einsatz: 1.) Einschätzung und Edukation über Schemata, 2.) Kognitive Interventionen, 3.) Erlebnisbasierte Interventionen, 4.) Unterbrechung maladaptiver Verhaltensmuster, bei der auch mit Hilfe bewährter Methoden aus der Verhaltenstherapie die Überwindung der unerwünschten Verhaltensmuster erreicht werden soll. Als 5. Interventionsprinzip wird auch die Beziehung zwischen dem Therapeuten und dem Patienten als Mittel zur Veränderung eingesetzt. Damit das unerwünschte Verhalten nicht automatisch wieder ausgeführt wird, erarbeitet der Patient innerhalb der Therapie Wege, eine „innere Distanz“ zu seinen eingefahrenen Verhaltensmustern herzustellen. Dazu erhält er den Auftrag, das eigene Verhaltensrepertoire wertfrei aus einem Abstand zu beobachten und zu analysieren. Die wertfreie Beobachtung soll Selbsterkenntnis und Verstehen der Ursachen der vom Patienten unerwünschten Verhalten ermöglichen. Aus der Selbsterkenntnis heraus kann der Patient in der nächsten entsprechenden Situation bewusster handeln, der „Falle alter Verhaltensmuster“ entgehen und für diese Situationen neue, von ihm erwünschte Handlungsmuster entwerfen.

Als Hilfsmittel für eine Distanzierung zu den eigenen Gefühlen, zum Verstehen der alten sowie zum Erarbeiten der neuen Verhaltensmuster, wird die therapeutische Spaltung/Dissoziation eingesetzt. Das ist eine therapeutisch erwünschte und bewusst herbeigeführte Aufspaltung in verschiedene Aspekte der eigenen Persönlichkeit, die bildhaft vorstellbar/Imagination sind, beispielsweise das Innere Kind in unterschiedlichen Erscheinungsformen/Modi wie: verletztes, verärgertes, undiszipliniertes oder glückliches Kind.[4] S.341/2

Innerhalb der Behandlung leitet der Therapeut Imaginationen an, und übernimmt beispielsweise im imaginativen Rollenspiel einen Part der Eltern. Dabei bietet er dem Patienten über das sogenannte „Reparenting“ die elterlichen Qualitäten an, die fehlten. Je nach Problematik und bestehenden Schemata kann dies elterliche Fürsorge sein, Stärkung des Vertrauens, Vermittlung von Stabilität, emotionale Zuwendung, Fördern der Unabhängigkeit. Das Ziel der therapeutischen Arbeit besteht darin, entsprechend dem Vorbild des Therapeuten den Schemamodus „gesunder Erwachsener“ zu verinnerlichen. Mit dessen Hilfe soll der Patient zukünftig die Wirkung maladaptiver Schemata erkennen und gesunde Verhaltensweisen entwickeln können, also erlernte Automatismen durch zielgerichtete, bewusste und angemessene Handlungen ersetzen.[4]S.233

Der zugehörige therapeutische Prozess arbeitet mit innerer Distanzierung, bewusster Wahrnehmung, sehr detaillierter Betrachtung und Benennung der verschiedenen Aspekte der Verhaltensgrundmuster.