Schematherapie: Unterschied zwischen den Versionen

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* Jeffrey E. Young
* Jeffrey E. Young
* Weiterentwicklung der "kognitiven Therapie für Persönlichkeitsstörungen" (A. Beck)
* Weiterentwicklung der "kognitiven Therapie für Persönlichkeitsstörungen" (A. Beck)
* integrativ, 3 Säulen:
*# '''Therapiemodell''': konsistent, manualisiert &rarr, Fallkonzeption, Therapieplanung, Bezugsrahmen
*# '''therapeutische Beziehung''': "begrenzte elterliche Fürsorge" = "pädagogisch"
*# '''erlebnisaktivierende Techniken''': Ich-Anteile ("Modus"), Stuhlübungen, Imagination
* vereinfacht:
** Bewältigungs-Modi interpersonaler Frustration: Vermeidung - Unterwerfung/Aggression - Überkompensation
** Problem: maladaptiver Kind-Modus: verletzliches Kind (→ Bindung) vs. wütendes Kind (Selbstbehauptung)
** Ziel: Zugriff auf Erwachsenen-Ressourcen
* Hypothese: erlernte Grundschemata → Befriedigung von Grundbedürfnisse → Verhaltenssteuerung
* Hypothese: erlernte Grundschemata → Befriedigung von Grundbedürfnisse → Verhaltenssteuerung
* v.a. für Pat. mit schweren Persönlichkeitsstörungen
* v.a. für Pat. mit schweren Persönlichkeitsstörungen
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==  
== Bewältigungsstile und Bewältigungsreaktionen ==


* drei maladaptive Bewältigungsstile = Ansammlung von Bewältigungsreaktionen, um sich dem Schema anzupassen
* Situation → Schema → Bewältigungsstil → Bewältigungsreaktion


{| class="wikitable"
! Bewältigungsstil !! Bewältigungsreaktion
|-
| Sich-Fügen
| in Schema fügen, "Kinderrolle " übernehmen, z. B. Partnerwahl, die ihn so behandeln, wie es der verletzende Elternteil getan hat
|-
| Überkompensation
| entgegengesetzt zu dem Schema verhalten (z. B. Schema "Unzulänglichkeit" → Perfektion; Schema "Unterwerfung" → andere unterwerfen)
|-
| Vermeiden
| verhalten, dass Schema möglichst nicht aktiviert wird (z.B. Gefühle unterdrücken, Alkohol trinken, Zwang entwickeln, Beziehungen oder Herausforderungen vermeiden)
|}
== Schemamodi ==
* Schemamodi = Schemata, die bei einem Menschen in einem konkreten Augenblick aktiv sind
* funktional/dysfunktional sein
* dysfunktionale Schemamodi = Teile des Selbst, die in mehr oder minder starkem Maße von anderen Aspekten des Selbst abgeschnitten
* bei BPS → sehr große Zahl von Schemata und Bewältigungsreaktionen in ständigem Wechsel
* können in der Therapie auch individuelle Namen erhalten, die Patient passend findet
* 10 Schemamodi in 4 Kategorien:
{| class="wikitable"
! Kategorie !! Schemamodus
|-
| 1. Kind-Modi
|
* 1.  verletzbares Kind (auch: verlassenes, missbrauchtes, misshandeltes, Entbehrung erlebendes, zurückgewiesenes Kind)
* 2.  verärgertes Kind (wegen Nichterfüllung seiner Bedürfnisse; handelt, ohne an die Folgen zu denken)
* 3.  impulsives/undiszipliniertes Kind (handelt rücksichtslos nach seinen seinen Wünschen/Neigungen, ohne an die Konsequenzen zu denken)
* 4.  glückliches Kind (zentrale emotionale Bedürfnisse sind im Moment erfüllt)
|-
| 2. Dysfunktionale Bewältigung<br />(&rarr; Bewältigungsstile)
|
* 5. bereitwillig Sich-Ergebender (unterwirft sich dem Schema, wird zum passiven, hilflosen Kind, das anderen nachgibt)
* 6. Überkompensierender (wehrt sich, indem er andere schlecht behandelt oder andere extreme Verhaltensweisen zeigt, um das Schema zu widerlegen)
* 7. vermeidender, distanzierter Beschützer (löst sich emotional vom Schema, praktiziert Substanzmittelmissbrauch, meidet andere oder praktiziert andere Formen der Flucht)
|-
| 3. Dysfunktionale Eltern-Modi
|
* 8. strafender Elternteil (straft den Kind-Modus, weil dieser angeblich "böse" ist)
* 9. fordernder Elternteil (drängt das Kind ständig, übertrieben hohen Anforderungen zu genügen)
|-
| 4. gesunder Erwachsener
|
* 10. soll in der Therapie gestärkt werden
|}


== Therapie ==


* Ziel:
*# Bedürfnisse wahrnehmen
*# Bedürfnisse adäquat erfüllen
*# mit Frustration umgehen
* auf Modi bezogen:
*# Bewältigungsmodi reduzieren, durch flexiblere Strategien ersetzen
*# Kindmodi wahrnehmen, versorgen, trösten, ggf. Grenzen setzen
*# dysfunktionale Elternmodi reduzieren
*# gesunder Erwachsenenmodus fördern
* Interventionsprinzipien:
*# Einschätzung und Edukation über Schemata
*# '''Kognitive''' Interventionen
*# '''Erlebnisbasierte''' Interventionen &rarr; Verhaltensänderung (Imagery Rescripting, Stuhldialoge)
*# Unterbrechung maladaptiver Verhaltensmuster (&rarr; KVT)
*# '''therapeutische Beziehung''' &rarr; nachträglich (begrenzte) elterliche Fürsorge &rarr; Erkennung und Erfüllung seiner Kernbedürfnisse
* Ablauf:
*# Phase:
*#* Psychoedukation: Grundannahmen und Vorgehen der Schematherapie
*#* Einschätzung der aktuellen Probleme und Definition der Therapieziele
*#* maladaptive Schemata/Modi identifizieren (Fragebögen) und mit Patient überprüfen
*#* Transparenz &rarr; Therapeut informiertz über Annahmen, erstellt Fallkonzept
*# Phase = Phase der Veränderung
* Erarbeiten einer "innere Distanz" (= Achtsamkeit) &rarr; Selbsterkenntnis, Verstehen der Ursachen &rarr; bewusster handeln, neue erwünschte Handlungsmuster entwerfen
** bewusste Wahrnehmung, Betrachtung und Benennung der verschiedenen Aspekte der Verhaltensgrundmuster
** &rarr; therapeutische Spaltung/Dissoziation, z.B. Imagination Inneres Kind in unterschiedlichen Erscheinungsformen/Modi (verletzt, verärgert, undiszipliniert, glücklich)
** Therapeut übernimmt im imaginativen Rollenspiel Part der Eltern &rarr; "Reparenting" fehlender elterlicher Qualitäten
** Ziel: Verinnerlichung des Schemamodus "gesunder Erwachsener" nach Vorbild des Therapeuten


Innerhalb einer Behandlung sollen die beim Patienten wirksamen Schemata identifiziert werden. Als klärungsorientierter Bestandteil der Therapie ist es für den Patienten bedeutsam, zu verstehen, wie es zur Entwicklung der einzelnen Schemata kam, um sie zu verändern. Für diesen Veränderungsprozess werden bestimmte Behandlungsstrategien angewendet, die laut Young erst durch auch erlebnis- und handlungsorientierte Anteile verhaltensändernd wirksam werden. Dabei kommt dem Prozess der therapeutischen Beziehung eine zentrale Bedeutung zu, durch den der Patient nachträglich seitens des Therapeuten begrenzt elterliche Fürsorge erleben kann, die seine Kernbedürfnisse erkennt und erfüllt.
== Weblinks ==


* https://schematherapie-frankfurt.de/ Institut für Schematherapie
* https://schematherapie-roediger.de/ mit Arbeitsmaterialien und Übungen
[[Kategorie:Therapie]]
[[Kategorie:Therapie]]

Aktuelle Version vom 21. August 2017, 16:07 Uhr

Grundlagen

  • "dritte Welle" der KVT
  • Jeffrey E. Young
  • Weiterentwicklung der "kognitiven Therapie für Persönlichkeitsstörungen" (A. Beck)
  • integrativ, 3 Säulen:
    1. Therapiemodell: konsistent, manualisiert &rarr, Fallkonzeption, Therapieplanung, Bezugsrahmen
    2. therapeutische Beziehung: "begrenzte elterliche Fürsorge" = "pädagogisch"
    3. erlebnisaktivierende Techniken: Ich-Anteile ("Modus"), Stuhlübungen, Imagination
  • vereinfacht:
    • Bewältigungs-Modi interpersonaler Frustration: Vermeidung - Unterwerfung/Aggression - Überkompensation
    • Problem: maladaptiver Kind-Modus: verletzliches Kind (→ Bindung) vs. wütendes Kind (Selbstbehauptung)
    • Ziel: Zugriff auf Erwachsenen-Ressourcen
  • Hypothese: erlernte Grundschemata → Befriedigung von Grundbedürfnisse → Verhaltenssteuerung
  • v.a. für Pat. mit schweren Persönlichkeitsstörungen
  • Schema = Muster aus Erinnerungen, Emotionen, Kognitionen, Körperempfindungen
  • "frühe maladaptive Schemata" =
    • "ein weitgestrecktes, umfassendes Thema oder Muster,
    • das aus Erinnerungen, Emotionen, Kognitionen und Körperempfindungen besteht,
    • die sich auf den Betreffenden selbst und seine Kontakte zu anderen Menschen beziehen,
    • ein Muster, das in der Kindheit oder Adoleszenz entstanden ist,
    • im Laufe des weiteren Lebens stärker ausgeprägt wurde und
    • stark dysfunktional ist."
    • entstehen durch wiederholte schädigende Erlebnisse in Kindheit und Adoleszenz
      • traumatische Erlebnisse
      • Nichterfüllung/Übererfüllung ("Zuviel des Guten") wesentlicher Grundbedürfnisse durch frühe Bezugspersonen
      • selektive Internalisierung bzw. Identifikation mit wichtigen Bezugspersonen
    • Aufrechterhaltung durch Wunsch nach Konsistenz → Schema fühlt sich aufgrund seiner Vertrautheit als "richtig" → Attraktivität (→ psychodynamisch: unbewusster neurotischenr Konflikt, repetitiv-dysfunktionales Schema)
    • Schemata = (psychodynamisch) Introjekt + Emotionen/Körperempfindungen/Erinnerungen → starke Resistenz gegen Änderungen
  • dysfunktionale Verhaltensweisen = Reaktion auf Schema (nicht Teil des Schemas)

maladaptive Schemata

Domäne Schema
1. Abgetrenntheit und Ablehnung
  • 1. Verlassenheit/Instabilität
  • 2. Misstrauen/Missbrauch
  • 3. Emotionale Entbehrung
  • 4. Unzulänglichkeit/Scham
  • 5. Soziale Isolierung/Entfremdung
2. Beeinträchtigung von Autonomie und Leistung
  • 6. Abhängigkeit/Inkompetenz
  • 7. Anfälligkeit für Schädigungen oder Krankheiten
  • 8. Verstrickung/Unentwickeltes Selbst
  • 9. Versagen
3. Beeinträchtigungen im Umgang mit Begrenzungen
  • 10. Anspruchshaltung/Grandiosität
  • 11. Unzureichende Selbstkontrolle/Selbstdisziplin
4. Fremdbezogenheit
  • 12. Unterwerfung
  • 13. Selbstaufopferung
  • 14. Streben nach Zustimmung und Anerkennung
5. Übertriebene Wachsamkeit und Gehemmtheit
  • 15. Negativität/Pessimismus
  • 16. Emotionale Gehemmtheit
  • 17. Überhöhte Standards/Übertrieben kritische Haltung
  • 18. Bestrafen
  • bedingungslos gültig → frühe Entstehung
  • bedingt gültig → spätere Entstehung (teils als Reaktion auf frühes Schema)
    • Unterwerfung
    • Selbstaufopferung
    • Streben nach Zustimmung und Anerkennung
    • Emotionale Gehemmtheit
    • Überhöhte Standards/Übertrieben kritische Haltung


Bewältigungsstile und Bewältigungsreaktionen

  • drei maladaptive Bewältigungsstile = Ansammlung von Bewältigungsreaktionen, um sich dem Schema anzupassen
  • Situation → Schema → Bewältigungsstil → Bewältigungsreaktion
Bewältigungsstil Bewältigungsreaktion
Sich-Fügen in Schema fügen, "Kinderrolle " übernehmen, z. B. Partnerwahl, die ihn so behandeln, wie es der verletzende Elternteil getan hat
Überkompensation entgegengesetzt zu dem Schema verhalten (z. B. Schema "Unzulänglichkeit" → Perfektion; Schema "Unterwerfung" → andere unterwerfen)
Vermeiden verhalten, dass Schema möglichst nicht aktiviert wird (z.B. Gefühle unterdrücken, Alkohol trinken, Zwang entwickeln, Beziehungen oder Herausforderungen vermeiden)

Schemamodi

  • Schemamodi = Schemata, die bei einem Menschen in einem konkreten Augenblick aktiv sind
  • funktional/dysfunktional sein
  • dysfunktionale Schemamodi = Teile des Selbst, die in mehr oder minder starkem Maße von anderen Aspekten des Selbst abgeschnitten
  • bei BPS → sehr große Zahl von Schemata und Bewältigungsreaktionen in ständigem Wechsel
  • können in der Therapie auch individuelle Namen erhalten, die Patient passend findet
  • 10 Schemamodi in 4 Kategorien:
Kategorie Schemamodus
1. Kind-Modi
  • 1. verletzbares Kind (auch: verlassenes, missbrauchtes, misshandeltes, Entbehrung erlebendes, zurückgewiesenes Kind)
  • 2. verärgertes Kind (wegen Nichterfüllung seiner Bedürfnisse; handelt, ohne an die Folgen zu denken)
  • 3. impulsives/undiszipliniertes Kind (handelt rücksichtslos nach seinen seinen Wünschen/Neigungen, ohne an die Konsequenzen zu denken)
  • 4. glückliches Kind (zentrale emotionale Bedürfnisse sind im Moment erfüllt)
2. Dysfunktionale Bewältigung
(→ Bewältigungsstile)
  • 5. bereitwillig Sich-Ergebender (unterwirft sich dem Schema, wird zum passiven, hilflosen Kind, das anderen nachgibt)
  • 6. Überkompensierender (wehrt sich, indem er andere schlecht behandelt oder andere extreme Verhaltensweisen zeigt, um das Schema zu widerlegen)
  • 7. vermeidender, distanzierter Beschützer (löst sich emotional vom Schema, praktiziert Substanzmittelmissbrauch, meidet andere oder praktiziert andere Formen der Flucht)
3. Dysfunktionale Eltern-Modi
  • 8. strafender Elternteil (straft den Kind-Modus, weil dieser angeblich "böse" ist)
  • 9. fordernder Elternteil (drängt das Kind ständig, übertrieben hohen Anforderungen zu genügen)
4. gesunder Erwachsener
  • 10. soll in der Therapie gestärkt werden

Therapie

  • Ziel:
    1. Bedürfnisse wahrnehmen
    2. Bedürfnisse adäquat erfüllen
    3. mit Frustration umgehen
  • auf Modi bezogen:
    1. Bewältigungsmodi reduzieren, durch flexiblere Strategien ersetzen
    2. Kindmodi wahrnehmen, versorgen, trösten, ggf. Grenzen setzen
    3. dysfunktionale Elternmodi reduzieren
    4. gesunder Erwachsenenmodus fördern
  • Interventionsprinzipien:
    1. Einschätzung und Edukation über Schemata
    2. Kognitive Interventionen
    3. Erlebnisbasierte Interventionen → Verhaltensänderung (Imagery Rescripting, Stuhldialoge)
    4. Unterbrechung maladaptiver Verhaltensmuster (→ KVT)
    5. therapeutische Beziehung → nachträglich (begrenzte) elterliche Fürsorge → Erkennung und Erfüllung seiner Kernbedürfnisse
  • Ablauf:
    1. Phase:
      • Psychoedukation: Grundannahmen und Vorgehen der Schematherapie
      • Einschätzung der aktuellen Probleme und Definition der Therapieziele
      • maladaptive Schemata/Modi identifizieren (Fragebögen) und mit Patient überprüfen
      • Transparenz → Therapeut informiertz über Annahmen, erstellt Fallkonzept
    2. Phase = Phase der Veränderung
  • Erarbeiten einer "innere Distanz" (= Achtsamkeit) → Selbsterkenntnis, Verstehen der Ursachen → bewusster handeln, neue erwünschte Handlungsmuster entwerfen
    • bewusste Wahrnehmung, Betrachtung und Benennung der verschiedenen Aspekte der Verhaltensgrundmuster
    • → therapeutische Spaltung/Dissoziation, z.B. Imagination Inneres Kind in unterschiedlichen Erscheinungsformen/Modi (verletzt, verärgert, undiszipliniert, glücklich)
    • Therapeut übernimmt im imaginativen Rollenspiel Part der Eltern → "Reparenting" fehlender elterlicher Qualitäten
    • Ziel: Verinnerlichung des Schemamodus "gesunder Erwachsener" nach Vorbild des Therapeuten

Weblinks