Tinnitus

Aus psych-med
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Grundlagen

  • Lebenszeitprävalenz (> 5 min.) ca. 15%
  • Verlauf 5-10 J.:
    • 25% Sistieren
    • 50-75% Habituation (= kompensiert)
    • 15-25%: gleich/schlechter → Chronifizierung
  • psychische Komorbidität (nicht-klinische Stichprobe)
    • 7-15% affektive Störung
    • 15-30% Angststörung
    • 0-30% somatoforme Störung
    • 73-86% keine Störung
  • bei dekomp. chron. Tinnitus: nur 7-11% keine psych. Störung!
  • 50% psychische Störung in Vorgeschichte

Pathophysiologie

  • Hypothese:
    1. peripherer Ausfall (Schädigung Innenohr)
    2. Signalreduktion (periper → zentral)
    3. kompensatorische Hochregulation in der gesamten Hörbahn → akuter Tinnitus
    4. im Gehirn kompensatorisch zu viel Signal (zentral) → kortikale Reorganisation
      auditorischer Cortex: nach Frequenz strukturiert → lokale Daueraktivität (nachweisbar) → chronischer Tinnitus
    5. psychosoziale Faktoren → chron. dekomp. Tinnitus
    6. Teufelskreis:
      • Aufmerksamkeitslenkung, Angst, Schlaf-/Konzentrationsstörungen
      • depressive Reaktion, psychosoziale Störungen, erfolglose Therapieversuche
      • muskuläre Störungen (HWS, CMD)
  • Knallschaden: Schädigung bei 4000Hz, unabhängig von Frequenz des auslösenden Geräusches
  • Hyperakusis → oft sekundär
  • Recruitment: Regulation der äußeren Haarzellen


Diagnostik

  • Einteilung:
    • akut/chronisch > 3 Monate
    • kompensiert/ dekompensiert
  • Beschreibungsebenen:
    • Lokalisation: re./li./bds.
    • Art des Geräusches: Ton/Rauschen
    • Frequenz: tief/mittel/hoch
    • Zeitmuster: pochend/klopfend/rhythmisch/gleichförmig
    • Lautstärke seit Beginn: gleich/lauter/leiser/schwankend
    • Variabilität der Lautstärke: gleichbleibend/schwankend
    • Konstanz: permanent, kurze Phasen ohne, tageweise ohne
    • subjektive Lautstärke: Grad 1-3
  • DD Luftleitung/Schalleitung → Schallempfindungsstörung/Schallleitungsstörung (Rinne-Versuch)
  • Audiometrie
  • Würzburger Hörfeld: subj. Einschätzung der Laustärke → Hyperakusis-Diagnostik
  • Hyperakusis: Unbehaglichkeitsschwelle für Töne (UBS-T) und Rauschen (UBS-B)
  • MML = Minimum Masking Level = Lautstärke des Tinnitus
  • Schweregrad nach Biesinger
  • Tinnitus-Fragebogen (Hiller & Goebel): TF (52 Items), Mini-TF (12 Items)
  • STI = strukturiertes Tinnitus-Interview (Hiller & Goebel)

Therapie

  • akuter Tinnitus → keine klare Empfehlung, evtl. Cortison
  • Tinnitus-Retraining-Therapie (bei chron. dekomp. Tinnitus).
    1. Psychoedukation = "Counselling"
      • Validierung: "Ich glaube, dass Sie Ohrgeräusche haben"
      • Beratung über Ätiologie → Krankheitsmodell
      • Ungefährlichkeit → Progredienzangst nehmen
      • Behandlungsoptionen → gute Prognose (Habituation)
      • "Schallanreicherung"
    2. Hörtherapie:
      • bei Hypakusis → HG-Versorgung
      • auditorische Stimulation: gleichmäßiges Rauschen
        • Masker: Tinnitus wird überdeckt
        • Noiser: Tinnitus weiterhin hörbar → Habituation (Hypothese)
    3. Psychotherapie: tinnitusspezifische KVT, Ziele:
      • Aufmerksamkeitsumlenkung
      • kognitive Umstrukturierung, Entkatastrophisieren
      • Abbau von Schon-/Vermeidungsverhalten
      • Desensibilisierung / Habituation
      • Komorbiditäten Angst/Depression
      • Reduktion des Leidensdruckes
      • berufliche/soziale Wiedereingliederung
      • dekompensierter → kompensierter Tinnitus
  • keine Evidenz für
    • Pharmakotherapie: nur zu Behandlung von Komorbidität
    • neuromodulatorische Stimulation (Neurofeedback, rTMS)

Hyperakusis

  • ca. 1/3 bei chron. Tinnitus
  • 22x Risiko für Tinnitus-Dekompensation
  • Therapie: Geräusch-Exposition

Hörsturz

  • Definition: akute Hörminderung unbekannter Ursache
  • kein Notfall!
  • Therapie abh. vom Ausmaß des Hörverlustes und Leidensdruck
  • niedrig dosiertes Cortison → kein Effekt
  • besser: 3-5 Tage je 250 mg Prednisolon, dann >> oder ausschleichen
  • alternativ: Cortsion intratympanal