Kognitive Verhaltenstherapie
Aus psych-med
Grundlagen
- "zweite Welle" der VT
- Grundidee: "Es sind nicht die Dinge, die uns beunruhigen, sondern die Meinungen, die wir von den Dingen haben." (Epiktet)
- Kognitionen: Einstellungen, Gedanken, Bewertungen, Überzeugungen
- reziproke Interaktion zwischen Verhalten und Kognitionen
- Verhaltensänderung → kognitive Bearbeitung
- kognitive Umstrukturierung → Verhaltenserprobung
Modelle
verdeckte Verfahren (Cautela)
- innere Prozesse als Verhaltenskette: verdeckter Reiz - Reaktion - Konsequenz
- Verfahren:
Technik | Prinzip | Beispiel |
---|---|---|
verdecktes Gegenkonditionieren | aversiver Reiz wird mit angehmer Vorstellung gekoppelt | Angst vor Dunkelheit → Superman |
verdeckte Sensibilisierung | problematisches Verhalten wird mit aversivem Reiz gekoppet | Alkohol → Übelkeit, Erbrechen |
verdeckte Verstärkung | erwünschtes Verhalten wird mit vorgesteller Verstärkung verknüpft | Sport → "Verstärkung" &rarrm Schule |
verdeckte Löschung | Vorstellugn erwünschten Verhaltens ohne befürchtete Reaktion | "keiner lacht" |
verdecktes Modelllernen | Vorstellung, wie man selbst oder ein anderer etwas ausführt | Annäherung an Hund |
Modell der erlernten Hilflosigkeit nach Seligmann
- wiederholte Erfahrung von Ausweglosigkeit aus unangenehmer Situation → Ohnmacht, Kontrollverlust
- → psychische und somatische Symptome, v.a. Passivität, Resignation, Appetitlosigkeit
- therapeutische Implikation:
- Transparenz (Orientierung)
- Fördern von Selbstwirksamkeit (Kontrolle)
- Überprüfen der Attributionen (intern/extern)
kognitive Depressionstheorie nach Aaron T. Beck
- kognitive Triade: negative/pessimistische Sichtweise von
- sich selbst: "Ich bin wertlos"
- der Welt: "Alle hassen mich."
- der Zukunft. "Ich habe keine Chance, daran was zu ändern"
- Grundannahmen: negative kognitive Schemata/Überzeugungen, aktivieren
- automatische Gedanken: schnell, sofort auftretende, meist unbewusste Kognitionen, häufig verzerrt
- Denkfehler: typische kognitive Verzerrungen → neue, widersprechende Erfahrungen werden verzerrt interpretiert
- willkürliche Schlüsse
- selektive Abstraktion (keine Berücksichtigung des Kontextes)
- Übergeneralisierungen
- Personalisierung
- Dichotomes Denken (Alles-oder-Nichts)
- Mastery-und-Pleasure-Technik:
- auf Skala einschätzen, wie hoch Erfolgserlebnis (mastery) und Vergnügen (pleasure) nach verschiedenen Aktivitäten
- Ziel: Trennung von Erfolg und Vergnügen → geschafft = Erfolg, auch wenn noch kein Spaß dabei
- realistische Ziele = zu bewältigen; nicht: sich gut anfühlen; aber: Vergnügen auch wichtig
kognitive Depressionstheorie nach Albert Ellis
- siehe Rational-Emotive Verhaltenstherapie
- irrationale Bewertungen
- ABC-Schema
kognitive Verhaltensmodifikation nach Meichenbaum
- Grundidee: internalisierte "Anweisungen" → "innerer Monolog"
- "erlernte Hilflosigkeit" (Seligmann) → "erlernter Einfallsreichtum"
- Fähigkeit zur Selbstverbalisation, Bewältigungssätze
- Selbstinstruktionstraining:
- Modelllernen: Therapeut macht vor, spricht Selbstinstruktion dazu
- offene externale Instruktion: Patient übernimmt, Therapeut gibt Instruktion
- offene internale Instruktion: Patient macht und spricht Selbstinstruktion, Therapeut gibt nur noch Hinweis(bilder)
- ausblendende offene Instruktion: Automatisieren, leiser sprechen
- verdeckte Selbstinstruktion: inneres Sprechen
- Stressimpfung:
- Informationsphase: Problemanalyse, Selbstverbalisierungen → SORKC-Modell
- Übungsphase: unter kontrollierten Bedingungen, hilfreiche Kognitionen, Entspannungstraining, Konfrontation, Selbstverstärkung
- Anwendungsphase: Einsatz im Alltag, positive Selbstinstruktionen
- Identifikation automatischer Gedanken/Selbstinstruktionen
- Spaltentechnik, Hinterfragen
- Realitätsüberprüfung, Suche nach Alternativen
- Reattribuieren, Entkatastrophisieren
Selbstkontroll-/Selbstmanagement-Therapie nach Frederick Kanfer
- siehe Selbstmanagement
- Selbstbeobachtung (Ist-Zustand) ⇔ Selbstbewertung (Soll-Zustand) ⇔ Selbstverstärkung (Ist-Soll-Vergleich → Selbstbelohnung/-bestrafung)
Verstärker-Verlust-Modell nach Lewinsohn (1974)
- Lerntheorie der operanten Konditionierung:
- Depressionen als Folge eines Mangels an unmittelbar mit dem Verhalten verbundener Verstärkung
- positive Verstärkung abhängig
- Anzahl verstärkender Ereignisse
- Menge verfügbarer Verstärker
- Verhaltensmöglichkeiten einer Person, sich so zu verhalten, dass Verstärkung möglich ist
- "Depressionsspirale" = reduzierte Stimmung → sozialer Rückzug → Verlust an Verstärkern → Verschlechterung der Stimmung
- Therapie:
- Aufbau positiver Aktivität = Aktivität, die positive Verstärung erzeugt
- Soziales Kompetenztraining → notwendige Fertigkeiten, um in sozialen Situationen positive Verstärkung zu erlangen
- Kritik:
- Vernachlässigung negativer Verstärkung
- Fokus auf instrumentelles Verhalten (soziale Fertigkeiten)
Diagnostik
Therapie
- Grundsatz:
- bei respondetem Verhalten (v.a. Angst/Phobien) → Konfrontation
- bei operantem Verhalten → Löschung/Verstärkung
- Ziele allgemein:
- Ändern des Verhaltens
- Ändern der Einstellungen:Akkomodation = Schemata an Situation anpassen (kognitive Umstrukturierung)
- Ändern der Umwelt: Assimilation = Situation an eigene Schemata anpassen (Handlung)
- Akzeptanz
- Prinzipien:
- Transparenz
- Strukturieren, Zusammenfassen
- Konkretisieren, Präzisieren
- geleitetes Entdecken (sokratischer Dialog)
- Vorwegnehmen: Hindernisse vorbesprechen, positive Erwartung wecken
- Ressourcen aktivieren, positive Erwartungen wecken
- "minimale Interventionen" → Wahrung der Autonomie, Selbstwirksamkeitsattribution, Vermeiden von Abhängigkeit
- kognitive Methoden:
- kognitive Umstrukturierung
- Realitätstestung
- Reattribuierung
- Reframing
- Entkatastrophisieren
- Zeitprojektion
- Perspektivenwechsel
Fallkonzeption
- Motivation:
- zentrale Bedürfnisse und Ängste
- Förderung: Anknüpfen an bestehende Ziele, Leidensdruck erhöhen, Veränderungsperspektive konkretisieren, Hindernisse verkleinern, Sicherheit geben
- Kognition: nach Beck → implizite Überlebensregel
- Emotion: Umgang mit Gefühlen
- Entwicklung: siehe Entwicklungspsychologie
- Persönlichkeit
- Werte
- Konflikte: intrapsychisch/interpersonell
- Ressourcen
- Situationsanalyse
Therapieprozess - prozessuale Parameter - Wirkfaktoren
- Hoffnung und Glaube
- therapeutische Beziehung
- Therapiemotivation, Wunsch nach Veränderung
- tiefe emotionale Erfahrung (Exposition!)
- Korrektur emotional-kognitiver Bewertungen
- Akzeptanz
- Ressourcenmobilisierung
- Änderungsentscheidung: Rubikon-Modell nach Heckhausen
- Loslassen, Abschied, Trauer
- Angst vor Veränderung
- Veränderungvon Erleben und Verhalten
- Erfahrung von Selbstwirksamkeit
- Umgang mit Niederlagen
- Automatisierung neuen Erlebens und Verhaltens
- Generalisierung neuen Erlebens und Verhaltens
- Selbstmanagement neuen Erlebens und Verhaltens
- Bahnung weiterer Selbstentwicklung
- Abschied, Therapieende
- Zeit nach der Therapie
- Zukunft
Kognitive Umstrukturierung
- kognitives Modell vermitteln ("ABC-Modell")
- dysfunktionale Kognitionen ("automatische Gedanken") erkennen in konkreten Situationen ("sokratischer Dialog")
- primärer Gedanke ("jetzt sterbe ich gleich") oft nicht bewusst → Gedankenexperiment: "Was würde passieren, wenn..."
- sekundärer Gedanke ("ich brauche einen Arzt") bewusst → Verhaltensimpuls
- Hinterfragen der dysfunktionalen Kognitionen:
- Begriffsklärung: "Was bedeutet das? Wie meinen Sie das?"
- Hedonistische Disputation: "Hilft dieser Gedanke, sich so zu fühlen und zu verhalten, wie Sie es wollen?"
- Empirische/logische Disputation: "Ist diese Annahme zutreffend? Wo sind die Beweise, dass dieser Gedanke stimmt?"
- Philosophische Disputation: "Und angenommen, das Schlimmstmögliche würde eintreten?"
- Einbezug von Modellen: "Wie würde jemand anders diese Situation bewältigen?"
- Rollenwechsel: "Was würden einer Freundin in dieser Situation raten?"
- Verzerrungen/"Denkfehler" aufzeigen
- Verhaltensexperimente → Annahmen überprüfen
- Kosten-Nutzen-Analyse
- Erarbeitung alternativer, funktionaler Kognitionen: realistisch, hilfreich, stimmig
- Einüben der neuen Kognitionen in problematischen Situationen (in sensu/in vivo)