Abwehrmechanismen: Unterschied zwischen den Versionen

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| unerfüllbarer Wunsch erscheint in entstellter Form, wird dadurch als fremd erlebt → häufig bei Zwangsstörungen (z.B. Aggression/Todeswunsch gegen Vater → Angst, jemanden aus Versehen im Straßenverkehr zu verletzen)
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| Affektisolierung
| '''Affektisolierung'''
| Fehlen/Dämpfung eines normalerweise spontan auftretenden Gefühls in einer bestimmten Situation
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| '''Ungeschehenmachen'''
| unwirksame Handlungen/Rituale (z. B. auf Holz klopfen) → magisches Denken, Aberglaube
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| '''Projektion'''
| Triebimpuls/Motiv/Absicht wird anderer Person zugeschrieben
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| Projektive Identifizierung
| "negative" Selbstanteile (meist Aggression) wird abgespalten, auf Gegnüber projiziert, dann wird Gegenüber so manipuliert, dass es sich entsprechend verhält (sich mit der Projektion identifiziert), um dann den abgespaltenen Anteil im Gegenüber zu bekämpfen → intrapsychischer Konflikt wird wird interpersonell inszeniert / externalisiert → Stabilisation des innerpsychischen Gleichgewichjts auf Kosten der Beziehung zu anderen; typisch für [[Borderline]]
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=== Ungeschehenmachen ===
Einsatz faktisch unwirksamer Handlungen und Rituale (z. B. auf Holz klopfen), denen eine symbolische Kraft zugeschrieben wird, mit dem Ziel, Strafe bei Verbots- und Gebotsübertretungen abzuwenden.
=== Projektion ===
Eigene psychische Inhalte und Selbstanteile (vor allem Affekte, Stimmungen, Absichten und Bewertungen) werden anderen Personen zugeschrieben. Der Triebimpuls bzw. das Motiv wird auf ein Objekt projiziert wie bei einer optischen Projektion.
==== Projektive Identifizierung ====
Kombination von innerpsychischen und interpersonellen Vorgängen, bei dem das Gegenüber (unbewusst) so beeinflusst wird, dass es bestimmte Erwartungen erfüllt. Im subjektiven Sinne „negative“ Selbstanteile (in der Regel Aggressionen) werden erst abgespalten, dann auf das Gegenüber projiziert – wenn das Gegenüber sich unbewusst mit den abgespaltenen, projizierten Anteilen identifiziert und so handelt, wie es der Erwartung entspricht (z. B. aggressiv) werden durch diese Externalisierung unangenehmer oder unerträglicher Selbstanteile so innere Konflikte in der Außenwelt inszeniert, um das innerpsychische Gleichgewicht aufrechtzuerhalten, was jedoch die Beziehungen zu anderen stark belasten kann. Es handelt sich um einen für sogenannte Borderline-Störungen typischen Abwehrmechanismus, der die Schwierigkeiten, sich der Psychodynamik der Betroffenen gegenüber abzugrenzen, besser verständlich macht.


=== Introjektion und Identifikation ===
=== Introjektion und Identifikation ===

Version vom 22. Januar 2016, 11:56 Uhr

Grundlagen

  • Abwehr = Unbewusstmachen von psychischen Inhalten, Impulsen, Normen
  • Ziel: Schutz des Ichs gegen Triebansprüche = Es-Regungen unter Einfluss des Über-Ich
  • prinzpiell normal, nur pathologisch, wenn dadurch Einschränkung der Selbstwahrnehmung und Realitätsbewältigung
  • Ziel der Therapie grundsätzlich Ich-Stärkung → Selbstwahrnehmung, Integration von Impulsen → Bewusstmachung der Abwehr als zentrale Methode
  • Gründe:
    • Realangst
    • Über-Ich-Angst
    • Angst vor Triebstärke
  • Formen:
    • Triebabwehr
    • Affektabwehr
    • permanente Abwehr → erstarrte Abwehrmechanismen, "Charakterpanzerung" (Wilhelm Reich)
    • neurotische Symptombildung

Stufen nach Funktionsniveau

Stufe Mechanismen Selbstgefühl, Ich-Identität Objektbeziehung Realitätsprüfung
"reif"
gesund
  • Altruismus
  • Humor
  • Antizipation
  • Unterdrückung (DD Verdrängung!)
  • Sublimation
     
neurotisch
  • Verdrängung
  • Rationalisierung/Intellektualisierung
  • Isolierung
  • Ungeschehenmachen
  • Reaktionsbildung
integriertes Selbstkonzept, ungestörte Ich-Identität Trennung von Selbst und Objekt intakt
unreif
Borderline
  • Spaltung
  • Verleugnung
  • Projektion, projektive Identifikation
  • Fantasieren
  • Idealisierung / Entwertung
  • Hypochondrie
Identitäsdiffusion partielle Verschmelzungsfantasien, teilweise angewiesen auf real präsentes Objekt weitgehend erhalten
psychotisch
  • Paranoia
  • Halluzinationen
  • Größenwahn
  • Spaltung
  • Projektion
  • Verleugnung
Identitätsdiffusion totale Verschmelzungsfantasien, angeweisen auf real präsentes Objekt aufgehoben

Abwehrformen

Name Mechanismus
Verdrängung Unbewusstmachen psychischer Inhalte und Affekte → Zurückweisen von Impulsen. "Grundabwehr", kann bei jeder Abwehrleistung vorhanden sein. DD Unterdrückung = willentlich-bewusst
Verleugnung Unbewusstmachen äußerer Reize, Bedeutung wird emotional nicht erlebt und rational nicht anerkannt
Vermeidung vermeiden von Schlüsselreizen, die Triebregungen verursachen könnten
Verschiebung beängstigende Affekte, Phantasien, Impulse auf eine Person werden auf eine andere verschoben
Regression Rückzug frühere Entwicklungsstufe der Ich-Funktion → Trotzverhalten, Fresslust, Versorgungswünsche
Reaktionsbildung Abwehr eines unbewussten Triebimpulses durch entgegengesetzte Verhaltensweise/Motive, z.B. Mitleid statt Aggression; kann bewusst, unbewusst oder teilweise bewusst sein
Isolierung unerfüllbarer Wunsch erscheint in entstellter Form, wird dadurch als fremd erlebt → häufig bei Zwangsstörungen (z.B. Aggression/Todeswunsch gegen Vater → Angst, jemanden aus Versehen im Straßenverkehr zu verletzen)
Affektisolierung Fehlen/Dämpfung eines normalerweise spontan auftretenden Gefühls in einer bestimmten Situation
Ungeschehenmachen unwirksame Handlungen/Rituale (z. B. auf Holz klopfen) → magisches Denken, Aberglaube
Projektion Triebimpuls/Motiv/Absicht wird anderer Person zugeschrieben
Projektive Identifizierung "negative" Selbstanteile (meist Aggression) wird abgespalten, auf Gegnüber projiziert, dann wird Gegenüber so manipuliert, dass es sich entsprechend verhält (sich mit der Projektion identifiziert), um dann den abgespaltenen Anteil im Gegenüber zu bekämpfen → intrapsychischer Konflikt wird wird interpersonell inszeniert / externalisiert → Stabilisation des innerpsychischen Gleichgewichjts auf Kosten der Beziehung zu anderen; typisch für Borderline


Introjektion und Identifikation

Wehrt Angst vor Bedrohungen von außen ab durch das Einverleiben äußerer Einflüsse wie z. B. bestimmtes Verhalten, Anschauungen, Normen oder Werte einer anderen Person in die Ich-Struktur, sodass das Individuum sie nicht mehr als Bedrohungen von außen erleben muss.

Identifikation mit dem Aggressor

Bei einem gewaltsamen Übergriff bzw. einer psychischen Grenzüberschreitung wird die Verantwortung für das Geschehen sich selbst zugeschrieben und/oder die Einstellung oder das Verhalten eines Angreifers übernommen. Beides dient der Abwehr unerträglicher Angst- und Hilflosigkeitsgefühle und einer symbolischen Rückerlangung von Kontrolle.

Autoaggression

Aggressive Impulse werden gegen die eigene Person gerichtet und treffen so nicht die Person, der sie ursprünglich galten, um die Beziehung zu dieser Person nicht zu gefährden. Das interpersonelle Feld wird so von Störungen freigehalten, ein interpersoneller Konflikt wird zulasten eines intrapsychischen Konflikts vermieden.

Sublimierung oder Sublimation

Nicht erfüllte Triebwünsche werden durch gesellschaftlich höher bewertete Ersatzhandlungen ersetzt und damit befriedigt (Kunst, Wissenschaft, Musik, Sport, exzessive Arbeit). Typischerweise eignen sich für bestimmte Wünsche bestimmte Sublimationstechniken besonders gut. So werden aggressive Triebe oft durch Sport sublimiert, sexuelle Wünsche durch Beschäftigung mit schönen Künsten oder kindliche Neugierde durch wissenschaftliche Forschertätigkeit. Sublimierungen erfüllen die Befriedigung der Triebwünsche oft gut und werden dann nicht als psychopathologisch angesehen. Nach Freud ist die Sublimierung ein wichtiger Motor für die Kulturentwicklung.


Spaltung

Inkompatible Inhalte werden auf mehrere Objekte verteilt. Sowohl die Objekte als auch das Selbst werden in „gut“ und „böse“ oder „schlecht“ aufgeteilt. „Gute“ Anteile werden idealisiert, „böse“ oder „schlechte“ werden ent- bzw. abgewertet, verdammt oder dämonisiert. (Vgl. Entwertung)

Verneinung

Negierung eines Sachverhalts. Im Gegensatz zur Reaktionsbildung wird ein Gefühl oder eine Einstellung nicht durch deren Gegenteil ersetzt, sondern nur deren Vorhandensein verneint („Ich empfinde überhaupt nichts für XXX“).

Intellektualisierung

Entfernung vom unmittelbaren konfliktuösen Erleben durch Abstraktionsbildung und theoretisches Analysieren (z. B. abstrakte Gespräche über das Wesen der Liebe; Fachsimpeln unter Ärzten oder Therapeuten über schwierige Patienten oder solche, die in ihrem Leid als psychische Belastung erlebt werden), Philosophieren über Dinge, die eine verborgene emotionale Bedeutung für die Person haben.

Rationalisierung

Rational-logische Handlungsmotive werden als alleinige Beweggründe für Handlungen angegeben oder vorgeschoben. Gefühlshafte Anteile an Entscheidungen werden ignoriert oder unterbewertet.

Somatisierung

Nicht-Wahrnehmen eines Konflikts in seiner eigentlichen Gestalt, sondern in Form körperlicher Beschwerden. Diese haben jedoch keine symbolische Beziehung zum Konflikt.

Konversion

Umlagern eines psychischen Konflikts auf somatische Symptome, die eine symbolische Beziehung zum Konflikt haben. Entspricht dem früheren Hysteriebegriff (hysterische Blindheit, Lähmung).

Affektualisierung

Ein Ereignis oder Verhalten wird dramatisiert.

Entwertung/Idealisierung

Objekte werden unbewusst entwertet oder überhöht.

Gefühlsblockaden als Reaktion auf Gefahr

Unter dem Einfluss eines traumatischen Ereignisses, zum Beispiel wenn jemand einen nahen Angehörigen verliert, kann es zu einer Blockierung aller Affekte und Stimmungen kommen, also zu einer Extremform der Isolierung vom Affekt.[4]

Objektneutralisierung

Objekte werden für unwesentlich, unattraktiv und unwichtig gehalten. Damit wird vermieden, dass es im interpersonellen Feld zu intensiven Beziehungen kommt, deren Auswirkungen unangenehm sein könnten (z. B. wenn man bedroht würde, verletzt oder gekränkt zu werden).[5]

Selbstneutralisierung

In einer gefährlichen Situation hat die Person das Gefühl, selbst unwichtig zu sein. Wichtig sind nur die zu erreichenden Ziele. Bei Depressiven kann die Selbstneutralisierung vor Selbstvorwürfen schützen (wer sich selbst nicht wichtig nimmt, braucht sich keine Vorwürfe zu machen). [6]

Depersonalisation

Es kommt zur Veränderung der Körperwahrnehmung (z. B. Teile des Körpers werden in der Größe oder, wie bei Magersüchtigen, die gesamte Körpermaße werden verändert wahrgenommen). Hat oft das Ziel, ein Umsetzen von (i. d. R. aggressiven) Impulsen in motorisches Handeln zu erschweren.

Derealisation

Umwelt wird verändert erlebt. Die Art, wie sich die Umwelt verändert, kann Symbolgehalt haben. Manchmal wird die Umwelt als bedrohlich erlebt, wobei aggressive Impulse in die Umgebung projiziert werden.

Progression

ist das Gegenstück zur Regression. In einer gefährlichen Situation verhält sich jemand in einer erwachsenen Weise. Es findet eine Flucht in spätere Entwicklungsstadien statt. Zum Beispiel wenn die Mutter einer Zehnjährigen nicht mehr da ist, kümmert diese sich um jüngere Geschwister und wird zum Mutterersatz. Wenn die Belastung vorüber ist, kann es zu einer Regression über das Ausgangsniveau hinweg kommen.[3]