Abwehrmechanismen
Aus psych-med
Grundlagen
- Abwehr = Unbewusstmachen von psychischen Inhalten, Impulsen, Normen
- Ziel: Schutz des Ichs gegen Triebansprüche = Es-Regungen unter Einfluss des Über-Ich
- prinzpiell normal, nur pathologisch, wenn dadurch Einschränkung der Selbstwahrnehmung und Realitätsbewältigung
- Ziel der Therapie grundsätzlich Ich-Stärkung → Selbstwahrnehmung, Integration von Impulsen → Bewusstmachung der Abwehr als zentrale Methode
- Gründe:
- Realangst
- Über-Ich-Angst
- Angst vor Triebstärke
- Formen:
- Triebabwehr
- Affektabwehr
- permanente Abwehr → erstarrte Abwehrmechanismen, "Charakterpanzerung" (Wilhelm Reich)
- neurotische Symptombildung
Stufen nach Funktionsniveau
Stufe | Mechanismen | Selbstgefühl, Ich-Identität | Objektbeziehung | Realitätsprüfung |
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"reif" gesund |
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neurotisch |
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integriertes Selbstkonzept, ungestörte Ich-Identität | Trennung von Selbst und Objekt | intakt |
unreif Borderline |
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Identitätsdiffusion | partielle Verschmelzungsfantasien, teilweise angewiesen auf real präsentes Objekt | weitgehend erhalten |
psychotisch |
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Identitätsdiffusion | totale Verschmelzungsfantasien, angeweisen auf real präsentes Objekt | aufgehoben |
Abwehrformen
Name | Mechanismus |
---|---|
Verdrängung | Unbewusstmachen psychischer Inhalte und Affekte → Zurückweisen von Impulsen. "Grundabwehr", kann bei jeder Abwehrleistung vorhanden sein. DD Unterdrückung = willentlich-bewusst |
Verleugnung | Unbewusstmachen äußerer Reize, Bedeutung wird emotional nicht erlebt und rational nicht anerkannt |
Verneinung | Form der Verleugnung, Negierung eines Sachverhalts, "intellektuelle Annahme des Verdrängten bei Fortbestand des Wesentlichen an der Verdrängung" (Freud): "Ich empfinde überhaupt nichts für XXX" |
Vermeidung | vermeiden von Schlüsselreizen, die Triebregungen verursachen könnten |
Verschiebung | beängstigende Affekte, Phantasien, Impulse auf eine Person werden auf eine andere verschoben |
Regression | Rückzug auf frühere Entwicklungsstufe der Ich-Funktion (Trieb- oder Ich-Regression) → Trotzverhalten, Fresslust, Versorgungswünsche |
Progression | Gegenstück zur Regression → Flucht in spätere Entwicklungsstadien; bei Kindern/Jugendlichen anzufinden; oft im Wechsel mit Regression über das Ausgangsniveau hinweg |
Reaktionsbildung | Abwehr eines unbewussten Triebimpulses durch entgegengesetzte Verhaltensweise/Motive, z.B. Mitleid statt Aggression; kann bewusst, unbewusst oder teilweise bewusst sein |
Isolierung | unerfüllbarer Wunsch erscheint in entstellter Form, wird dadurch als fremd erlebt → häufig bei Zwangsstörungen (z.B. Aggression/Todeswunsch gegen Vater → Angst, jemanden aus Versehen im Straßenverkehr zu verletzen) |
Affektisolierung | Fehlen/Dämpfung eines normalerweise spontan auftretenden Gefühls in einer bestimmten Situation |
Ungeschehenmachen | unwirksame Handlungen/Rituale (z. B. auf Holz klopfen) → magisches Denken, Aberglaube |
Projektion | Triebimpuls/Motiv/Absicht wird anderer Person zugeschrieben → Selbstwahrnehmung verzerrt |
Projektive Identifizierung | "negative" Selbstanteile (meist Aggression) wird abgespalten und auf Gegenüber projiziert; dann wird Gegenüber so manipuliert, dass es sich entsprechend verhält (sich mit der Projektion identifiziert), um dann den abgespaltenen Anteil im Gegenüber zu bekämpfen/kotrollieren → intrapsychischer Konflikt wird interpersonell inszeniert / externalisiert → Stabilisation des innerpsychischen Gleichgewichts auf Kosten der Beziehung zu anderen; typisch für Borderline
von Melanie Klein eingeführt, von Wilfred Bio weiterentwickelt: Kommunikation zwischen Mutter/Kind → Mutter als Container → Metabolisierung ("Verdauung"), Interaktion, Reintrojektion |
Autoaggression, Wendung gegen das Selbst |
Gegenstück der Projektion: aggressive Impulse gegen anderer Person werden gegen eigene Person gerichtet → Stabilisation der interpersonellen Beziehung auf Kosten eines intrapsychischen Konfliktes |
Introjektion, Identifikation |
Angst vor Bedrohungen von außen → "Einverleiben" von Verhalten, Meinung, Werten einer anderen Person in die Ich-Struktur → Reduktion der Angst / Bedrohung von außen Identifikation mit dem Aggressor: Verantwortung/Schuld wird sich selbst zugeschrieben, Einstellung/Verhalten des Angreifers übernommen → Abwehr unerträglicher Angst-/Hilflosigkeits-/Ohnmachtsgefühle, Rückerlangung von Kontrolle (typisch für PTSD) |
Sublimierung, Sublimation |
Ersatz/Befriedigung eines Triebwunsches durch gesellschaftlich höher bewertete Handlungen, z.B. Aggression → Sport, Libido → Kunst, Medizin, Neugier → Wissenschaft; gilt als "reif", oft nicht psychopathologisch, nach Freud "Motor für Kulturentwicklung" |
Spaltung | Unfähigkeit, Ambivalenz zu ertragen → Objekte/Selbst werden in "gut"/"böse" aufgeteilt → Idealisierung/Abwertung, schneller Wechsel zwischen Affekten; typisch für Borderline; Überwindung: Fähigkeit, Gutes im Schlechten zu erkennen und Negative im Guten zu akzeptieren |
Intellektualisierung | Distanzierung von konflikthaftem Affekt durch Abstraktionsbildung/theoretisches Analysieren, z.B. Fachsimpeln unter Therapeuten über sexuelle Störungen der Patienten |
Rationalisierung | emotionale Bedeutung wird ignoriert/unterbewertet, rational-logische Motive als alleiniger Grund für eigene Handlung angesehen/vorgeschoben |
Somatisierung | Nicht-Wahrnehmen eines Konflikts, Ausdruck/Wahrnehmung nur in Form körperlicher Beschwerden (ohne symbolische Bedeutung) |
Konversion | Symbolische Darstellung des Konfliktes auf körperlicher Ebene (in der Regel neurologische Symptome) → Hysterie (z.B. Blindheit, Lähmung) |
Affektualisierung | Ereignis oder Verhalten wird dramatisiert → Hysterie |
Entwertung, Idealisierung |
Objekte werden unbewusst entwertet oder überhöht → typisch für Borderline mit Spaltung |
Objektneutralisierung | Objekte werden für unwesentlich, unwichtig gehalten (→ Verleugnung) → Vermeidung emotionaler Beziehungen, die als bedrohlich erlebt wird |
Selbstneutralisierung | Selbst wird für unwichtig gehalten, nur zu erreichenden Ziele zählen → z.B. Schutz vor Selbstvorwürfen |
Depersonalisation | Veränderung der Körperwahrnehmung → oft bei Dissoziation; Schutzfunktion sowohl vor äußerer Bedrohung des Selbst als auch vor innerer Bedrohung (z.B. aggressive Impulse) |
Derealisation | Umwelt wird verändert erlebt, manchmal mit Symbolgehalt |