Embodiment
Aus psych-med
- Zusammenfassung von Wolfgang Tschacher und Maja Storch: Die Bedeutung von Embodiment für Psychologie und Psychotherapie, Psychotherapie 17. Jahrg. 2012, Bd. 17, Heft 2, CIP-Medien, München
- kein einheitliches Konstrukt, sondern Einstellung
- Forderung: psychische und kognitive Prozesse immer mit Bezug auf den Körper zu sehen/untersuchen
- Würdigung der Körperlichkeit von Patient und Therapeut
- Abkehr von "kognitivistischen" Haltungen → Denkfehler, Einsicht
- Leibbezug → Neue Phänomenologie
- Philosophie: Leib-Seele-Problem
- → weder materialistische (Neurobiologie) noch idealistische (Konstruktivismus) Position, sondern Doppelaspekt Leib/Körper
- traditionell: "Psyche" → Emotion → Verhalten/Körper ⇒ Körper = Spiegel der Seele
- neue Perspektive: Körper → Emotion → Psyche ⇒ Psyche = Spiegel des Körpers
- Theorie James Lange: Erleben einer Emotion erst nach Wahrnehmung peripherer körperlicher Reaktionen
- direktes Embodiment → ohne zwischengeschaltete bewusste Denkprozesse
- Experimente:
- Gesichtsmuskeln:
- Stift mit Zähnen halten → Lächeln
- Stift mit Lippen halten → Hemmung
- Kopfbewegung:
- vertikale Bewegung/Nicken → Zustimmung
- horizontale Bewegung/Schütteln → Ablehnung
- Armbewegung:
- Aktivierung Beuger → Annäherung
- Aktivierung Strecker → Vermeidung
- Gesichtsmuskeln:
- soziale Dimension:
- Zwischenleiblichkeit = zwischenleibliche Resonanz
- Synchronie = motorische Synchronisation (Systemtheorie: Musterbildungsprozess)
- Mutter-Kind-Interaktion → Bindungsstil
- Imitation, soziales Mimikry = "Chamäleoneffekt"
- Synchronie korreliert mit Sympathie (→ Flirten), Beziehungsqualität, Bindungsstil
- Wirkfaktor in der Psychotherapie?
- abgestimmtes nonverbales Verhalten → Empathie, Imitation, Identifikation
- Motion Energy Analysis: Synchronie korreliert mit Beziehungsqualität, sicherer Bindung, Therapiezielerreichung
- somatische Marker
- "virtuelles Embodiment" → siehe unten Thomas Metzinger
Vortrag Thomas Metzinger – Embodiment – LPTW 2015
- http://www.open-mind.net
- Embodiment – Arbeitsbegriffe:
- 1E = first order embodiment
- reaktives, physikalisches System ohne explizite Berechnung
- "passive dynamic walkers"; → Gehen = kontrollierte Form des Fallens
- 2E = second order embodiment
- integriertes Modell von sich selbst, Selbstrepräsentation
- → Schlafwandler, fortgeschrittener Roboter, einfache Tiere
- 3E = third order embodiment
- bewusst als verkörpert → Aufmerksamkeitslenkung, auch reziprok
- → „An-wesen-heit“
- 1E = first order embodiment
- "Gummihand-Illusion" → Gefühl der „Meinigkeit“ → unbewusstes Selbstmodell (Nachbauen: Putzhandschuh)
- Ganzkörper-Illusion (virtual reality) → Ich-Gefühl
- Philosophische Relevanz:
- Theorie des (Selbst-)Bewusstseins
- Was ist die einfachste Form des Ich-Gefühls?
- subjektive Identifikation mit einem Körper
- außerkörperliche Erfahrungen
- PSM-Handlungen
- SMT = Selbstmodell-Theorie
- Selbstmodell ist nicht das Selbst, sondern eine Repräsentation
- Wir können die Konstruktion des Modells nicht beobachten → phänomenale Transparenz
- Wir können des Selbstmodell nicht als Selbstmodell wahrnehmen → naiver Realismus
- Damasio: Ichgefühl in Körperwahrnehmung und emotionalem Selbsterleben
- emotionales + interozeptives Embodiment → Identifikation („Leibeigener“, „Besessenheit“)
- (Buch Der Ego-Tunnel")
- Aristoteles: Die Seele ist die Form des Leibes
- die innere Form des Leibes = Seele
- in verschiedenen Abstraktionsstufen
- Psyche/Seele gibt es nicht → kein Ding, sondern Vorgang; Selbstmodellierung
- biologische vs. virtuelle Organe → vorübergehende Bündel funktionaler Eigenschaften = Wahrnehmungen, Gedanken, Emotionen → Selbstmodell
- Definitionen:
- Psychologie = Wissenschaft vom Selbstmodell → Inhalte, Funktionen, neuronale Korrelate
- Psychosomatik = Wissenschaft der kausalen Interaktion zwischen bewusstem und unbewusstem Selbstmodell
- Psychotherapie = Prozess der Heilung des menschlichen Selbstmodelles (= virtuelles Organ) gleichzeitig auf allen 3 Ebenen!
- Philosophie = Wissenschaft zweiter Ordnung → Theorie über Theorien und Begriffe