Endometriose

Aus psych-med

Quelle: "Endometriose als interdisziplinäre Herausforderung - Potenzial der Endometriosezentren", J. Bartley, Ärztliche Psychotherapie 3/2015

Grundlagen

  • klassisches psychosomatisches Krankheitsbild mit biopsychosozialen Ursachen, aufrechterhaltenden Faktoren und Auswirkungen
  • Endometriose = Vorkommen von Endometrium-ähnlichem Gewebe außerhalb des Cavum uteri
    • Endometriosis genitalis externa: Uterus, Ovar, Tube, Peritoneum kleines Becken
    • Endometriosis genitalis interna (= Adenomyosis): innerhalb der Uterusmuskulatur
    • Endometriosis extragenitalis: Blase, Darm, andere Organe (oft infiltrativ wachsend)
  • Östrogen-abhängig → nur während Geschlechtsreife aktiv → während Schwangerschaft und nach Wechseljahren meist Ende aller Beschwerden,
  • gutartige Erkrankung, allerdings 5% infiltrativ wachsend (Organdestruktion), maligne Entartung sehr selten
  • Pathogenese ungeklärt, Implantationstheorie: retrograde Menstruation (physiologisch)
  • Prävalenz 5-17%; bei Laproskopie wegen Unterbauchschmerzen > 30%
  • Dauer vom Auftreten erster Symptome bis zur Diagnose: 5-9 J.

Symptome

  • Leitsymptome:
    • chronische Schmerzen:
      • Dysmenorrhoe (Adenomyosis), Unterbauchschmerzen, tiefe Dyspareunie (Douglasraum), Dysurie (Blasendach), Dyschezie
      • zyklisch prä-/postmenstruell
      • Schmerzintensität korreliert nicht mit Schwere des Befalls
      • 1/3 der Pat. haben keine Schmerzen
      • auch nach chir. Entfernung signifikante Schmerzreduktion nur bei < 50%, Schmerzrezidiv 10% pro Jahr (ohne Rezidiv der Endometriose)
      • Pathogenese
        • unklar
        • selten mechanisch
        • Vernarbungen
        • inflammatorische Substanzen
        • Neurotropismus in Endometrioseläsionen
        • viszeral-neuronaler cross-talk → Reizdarmsydnrom, interstitielle Zystitis
        • Störung der HHA-Achse
        • biopsychosozial: periphere Nozizeption + zentrale Verarbeitung
        • erhöhte zentrale Schmerzsensibilität
        • Ursache der Schmerzen nicht Endometriose, sondern somatoforme Krankheitsentität → somatische Verstärkung, kognitive Bewertung, prim./sek. Krankheitsgewinn, sex. Probleme, Traumatisierung
    • Unfruchtbarkeit
      • Fruchtbarkeit um Faktor 5-10 reduziert
      • bei 25-50% aller Kinderwunschpat. nachweisbar
      • Pathogenese unklar: Verwachsungen, inflammatorische Substanzen, Störung der Implantation
    • kein pathognomonisches Symptom

psychosoziale Komorbidität

  • > 50% verminderte Lebensqualität, Depressionen, erhöhte Stresswahrnehmung
  • "Befund und Befindlichkeit oft in krassem Widerspruch"
  • Ungewissheit in Diagnose, Therapie, Prognose → Verunsicherung, Hilflosigkeit
  • erhebliche Auswirkungen auf Partnerschaft/Sexualität, Familienleben, berufliche Situation

Diagnose

  • allg. und gyn. Anamnese
  • gyn. Untersuchung
  • transvaginale Sonographie
  • erweiterte Diagnostik:
    • MRT, CT
    • transrektale Endosonographie
    • Zytsoskopie, Rektosigmoidoskopie
  • Goldstandard: diagnostische Laparoskopie → Nachweis der Läsionen, Klassifikation, Probebiopsie, chir. Therapie

Therapie

  • nach Leitlinie Indikation zur (medik.) Therapie bei klin. Verdacht gegeben, Laparoskopie nicht erforderlich
  • von Beginn an "psychosomatische" Behandlung
  • Problem: zunächst Fokussierung auf apparative diagnostische Verfahren, bei Fehlen eines organ. Befundes unkritische "Psychopathologisierung"
  • Therapieziele: Lebensqualität verbessern, Rezidive vermeiden, Unfruchtbarkeit (bei Kinderwunsch) behandeln
  • chir. Therapie: nur in <50% der Fälle "erfolgreich" bzgl. Schmerzen; "gutartige" Erkrankung → Risiko/Nutzen (Vernarbungen) abwägen
  • Sterilität durch chir. Therapie nur in <10% behoben → besser assistierte Reproduktion (IUI, IVF)
  • Medikamente:
    • Gestagene alleine oder in Kombination (Pille), GnRH-Agonisten → Schmerzreduktion, keine Verbesserung der Fruchtbarkeit
    • NSAR (ibuprofen, Naproxen), Analgetika (Metamizol, Paracetamol), Tramadol, Gabapentin
  • Psychotherapie:
    • dysfunktionales Verhalten (Schonung)
    • kognitive Bewertung
    • Entspannungsverfahren
    • körperorientierte Verfahren
    • Themen:
      • Verarbeitung von Verlusten
      • Einschränkung sozialer Kontakte und Berufsleben
      • Partnerschaft/Sexualität/Kinderwunsch