Entzug
Aus psych-med
Alkoholentzugssyndrom (AES)
Pathophysiologie
- glutamaterge Überstimulation
- GABAerge Unterstimulation
Symptome
- ab 6h nach Trinkende
- Dauer 4-7 Tage
- Tremor, Unruhe, Antriebssteigerung, Schlaflosigkeit
- Schwitzen, Tachykardie, Hypertonie
- Kopfschmerzen, Druckgefühl im Kopf, Krankheitsgefühl
- Halluzinationen, Illusionen
- epileptische Anfälle
- Ängstlichkeit
- Störung von Bewußtsein und Orientierung
- → CIWA-Ar-Skala
Therapie
- Hydration, Elektrolytausgleich, Kreislaufüberwachung
- Thiamin
- symptomatisch: Analgetika (z.B. Paracetamol), Antiemetika
Clomethiazol (Distraneurin)
- v.a. in Deutschland
- nur unter stationären Bedingungen
- sedierend, hypnotisch, antikonvulsiv, anxiolytisch, reduziert Delir-Risiko
- HWZ 4-6h, Cave Leberschäden bei Alkoholikern → verlängerte HWZ 8h
- Dosierung:
- schnelle Aufdosierung: max. 4-6 Kapseln in den ersten 2 Stunden, danach je nach Symptomatik max. 2 Kps. alle 2h
- mittlere Dosierung: 10-15 Kps./d
- Plateauphase max. 2-4 Tage, dann Reduktion 2-4 Kps/d
- beenden nach 8-10d (hohes Abhängigkeitspotenzial!)
- KI:
- Überempfindlichkeit
- V.a. Schlafapnoe/zentrale Atemstörung
- Asthma, resp. Insuffizienz, akute Lungenerkrankungen
- WW: keine Kombination mit Hypnotika, Tranquilizer, AP, Alkohol
- UAW:
- Atemdepression (selten)
- Exantheme
- Nies-/Hustenreiz
- Augentränen
- Magenbeschwerden
- bronchiale Sekretion
- Abhängigkeit
Benzodiazepine
- v.a. USA/England
- geringere Toxizität, seltenere allerg. Reaktionen und pulm. Komplikationen
- parenterale Gabe möglich
- v.a. langwirksame BZP (Diazepam); in D nur Clorazepat (Tranxilium) zugelassen → halbe Dosis vs. Diazepam
- HWZ 20-40h, bei Leberzirrhose verlängert, hepatische Elimination, nicht lebertoxisch
- keine Kombination mit Clomethiazol!
- initial 20 mg, nach 1-2h ggf. Nachdosierung
- max. Tagesdosis 150 mg
- schnelle Reduktion um 25-50%, max. Dauer 1 Woche
- UAW:
- schlechte Steuerbarkeit
- Atemdepression
- Tachykardie
- Muskelrelaxation, Darmatonie
- KI:
- Myasthenia gravis
- Schlafapnoesyndrom
Tiaprid
- D2-Rezeptor-Antangonist
- psychomotirisch beruhigend, anxiolytisch
- geringe Sedierung
- keine Abhängigkeit
- kein Einfluss auf Krampfschwelle → Kombination mit Carbamazepin (wenn BZP nicht möglich/gewünscht)
Carbamazepin
- antikonvulsiv
- keine Interaktion mit Alkohol
- HWZ 8h → keine Retardpräparate verwenden!
- bei Leberfunktionsstörung Excarbazepin → keine hepatische Metabolisierung
Clonidin
- bei hypertensiver Entgleisung
- reduziert Agitiertheit, Angst, Tremor, Muskelverspannung
- nicht antikonvulsiv, antidelirant
- HWZ 20h
- initial 75µg, maximal 600 µg
- KI: AV-Block, Hypotonie, Depression
Entzugsbehandlung
ambulant
- Voraussetzungen:
- Pat. bekannt und zuverlässig
- konstante häusliche Betreuung
- in Anamnese keine Entzugserscheinungen, keine epilept. Anfälle, kein Delir
- keine psychiatrische Komorbidität
- kein bekannter Drogen-/Medikamentenmißbrauch
- Vorgehen:
- Reduktion der Trinkmenge über 14-21 Tage
- Unterstützung mit Tiaprid/Carbamazepin (off label)
stationär
- bei befürchteten Komplikationen
- in spezialisierter Einrichtung
- mit Clomethiazin/BZP
langfristig
- Rückfallrate 90% nach körperlicher Entgiftung
- Kindling-Effekt: immer schwererer und komplikationsreicherer Entzug → nicht zu oft Entgiften!
- Krankheitseinsicht, Motivation
- "qualifizierter Entzug": Entgiftung + Entwöhnung in ca. 4 Wochen → intensive erweiterte Akuttherapie
- konventionell 8-16 Wochen in spezialisierte Einrichtung
Komplikationen
Delirium tremens
- ca. 5%
- akut 48-96h nach Alkoholkonsum
- selten unter Alkoholkonsum
- Symptome:
- Desorientiertheit, Gedächtnisstörung, selten Bewußtseinsstörung
- psychomotorische Hyperaktivität, Schlafstörungen, Eu-/Dysphorie
- Halluzinationen (v.a. optisch und taktil), illusionäre Verkennung
- 50% Krampfanfall
- veget. Entgleisung: Fieber, Hypertonie, Tachykardie, Hyperhidrose, Tremor
- Therapie:
- BZP + Haloperidol
- Elektrolyt-/Flüssigkeitsausgleich
- Intensivstation → Mortalität unbehandelt 25%
Krampfanfälle
- ca. 15%
- meist Grand-mal-Anfälle
- Therapie: BZP rektal oder i.v.
- im Verlauf Antiepileptikum eindosieren, nach 2 Wochen wieder ausschleichen
- auch mit Latenz nach Abklingen der Entzugssymptome! Aufklärung!
Wernicke-Enzephalopathie
- akuter Thiaminmangel
- Symptome:
- Bewußtseinstrübung
- Ataxie
- Augenmuskelstörungen, z.B. Ophtalmoplegie, konjugierte Blicklähmungen, Pupillenstörungen, Nystagmen
- Magen-Darm-Störungen
- Fieber
- Therapie:
- Thiamin-Gabe i.v. oder i.m.
zentrale pontine Myelinolyse
- zu rascher Ausgleich bei Hyponatriämie
- Symptome:
- Schluck-/Sprechstörung
- Pyramidenbahnzeichen: Hyperreflexie, Babinski
- Quadriplegie, Bewußtseinsstörungen
- Therapie: Intensivmed. nach Symptomen