Gestalttherapie
Aus psych-med
Grundlagen
- Fritz und Laura Perls, Paul Goodmann
- 1951 Hauptwerk "Gestalttherapie"
- nach Trennung:
- Fritz Perls → eher harter, oft konfrontativer "Westküstenstil"
- Laura Perls → weicherer und integrativer "Ostküstenstil"
- phänomenologisch, erfahrungs- und erlebensorientiert
- Ziel: Stimmigkeit und Integration psychischer Prozesse/(abgewehrter) Anteile, Reifung der Persönlichkeit nach innen und außen
- Gesundheit = guter innerer und äußerer Kontakt
- Entwicklung aus Psychoanalyse → Kritik und Abgrenzung
- Merkmale/Ziele:
- Bewusstheit/Gewahrsein ("awareness") für alle gerade vorhandenen Gefühle, Gedanken, Empfindungen, Verhaltensweisen
- Erkennen automatisierter/unbewusster Verhaltensmuster → Entscheidungsmöglichkeit
- konkrete Arbeit an aktuellen Situationen und an der Beziehung zwischen Klient und Therapeut
- Therapeut als partnerschaftlichen Begleiter → Techniken/Übungen gemeinsam entwickeln = Angebot
- Ziele insgesamt und im Einzelfall immer transparent
Begriffe
Gestalt
- = ein sinnvolles Ganzes, Sinn, Struktur, kohärente Gesamtheit
- entsteht im Vordergrund vor einem Hintergrund (→ Gestaltpsychologie, Wahrnehmungspsychologie)
- Wirklichkeit von vereinzelten Sinnesqualitäten/Einzelelemente wird verneint → Wahrnehmung nur als sinnvolle Ganzheiten = "Gestalten" möglich
- Wahrnehmung, soziales Leben, Eigenexistenz → Ausdruck einer komplexen Sinngebung
- "Das Ganze ist mehr/anders als die Summe seiner Einzelelemente"
- Bedürfnis = offene Gestalt → taucht aus/vor Hintergrund auf → wird im Vordergrund zur Figur → muss geschlossen werden → taucht wieder in Hintergrund ein
Gewahrsein (awareness)
- = Achtsamkeit
- Ziel: Reaktivierung und Wahrnehmung emotionaler Bedürfnisse → Überwindung der Kontaktstörung
- Prinzip des Hier-und-Jetzt: gegenwärtige Situation = Ort der Veränderung
dialogisches Prinzip
- existentielle Beziehungsphilosophie (Martin Buber):
- Handeln aus Ich-Es-Haltung = sachlich, auf ein Objekt bezogen
- Handeln aus Ich-Du-Haltung = Hinwendung auf gleicher Ebene, Wertschätzung der Einzigartigkeit, nicht zweckgerichtet
- letztere grundlegend für Gestalttherapie → hohes Maß an Authentizität/Wahrhaftigkeit
Kontaktfunktionen
- Projektion
- Introjektion
- Retroflektion
- Konfluenz: typisch → Dependenz, Konfliktvermeidung, Harmoniesucht
- Deflektion
- → Kontaktstörungen/-unterbrechungen, aber auch Problemlösungscharakter/Selbstregulation
- DD
- Assimilation: Neues aus der Umwelt → Kontaktgrenze → Prüfung, "Zerstörung", brauchbare Umwandlung, Aufnahme in Eigenes (→ positive Aggression) = "Kauen"
- Introjektion: Aufnahme von Neuem als Ganzes, ohne Prüfung/"Zerstörung"/Umwandlung → "Konfluenz" = Mangel an Bewusstheit für Kontaktgrenze und/oder mangelnde "Aggression" → Fremdkörper = Saugen + Schlucken
Kontaktstörung
- "unabgeschlossene Gestalt" → Anpassungsprozess (=Kontaktprozess zwischen Organismus/Psyche und Umwelt) unvollständig
- "geschlossene (=vollständige) Gestalt" = abgeschlossene Anpassungsleistung
Ganzheit, Feld, Prozess
- Ganzheitlich =
- Einheit von Körper, Geist, Seele
- Verbindung mit Umwelt = "Organismus-Umwelt-Feld"
- "Kontaktgrenze" = Trennung und Verbindung
- Kontakt = Prozess des Austauschs, Assimilation, Wachstum → Bewegung, Handeln, Denken, Fühlen → Orientierung im Feld
- "Selbst" = Prozess = ""System der ständig neuen Kontakte"
- "Ich" = Teilfunktion des "Selbst" → Unterscheidung "zu mir gehörend" ↔ "fremd"
Prinzipien
- dialogisch: gemeinsame, authentische Arbeit an Themen, transparent, reflektiert
- feldtheoretisch: Erforschung der Anpassungsprozesse an (Um)"Feld", Wechsel der Perspektive, Gewahrsein, bewusste Entscheidung, Suche nach inneren/äußeren Ressourcen
- phänomenologisch: Aufgabe des Therapeuten → Achtsamkeit = Weglassen von Vorannahmen, Vermutungen, Erwartungen → Offenheit für Erfahrung im Hier und Jetzt; Beschreiben vor Interpretieren; möglichst alle Qualitäten erfassend
- existentialistisch: eigene Verantwortung für Wahrnehmung der Welt, Bedeutungszuschreibung und Handlung
Techniken
- fünf Typen:
- Übungen: bewusst hergestellte Situation zur allgemeinen Förderung der Wahrnehmung, Erleben und Handeln
- Experimente: ausprobieren und erforschen → konkrete Situation → Lernerfahrung
- Hausaufgaben: gemeinsam vereinbarte Experimente außerhalb der Therapie
- Situationsbezogene Interventionen: kurze, auf konkrete Situation bezogene Aussagen oder Fragen → persönlicher Resonanz/Reaktion des Therapeuten (→ dialogisch)
- Medien und Modalitäten: Wahrnehmung und Arbeit mit Sprache + Körper → Atmung, Stimme, Gestik/Mimik + Gegenständen ("leerer Stuhl")