Gestalttherapie: Unterschied zwischen den Versionen

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** Laura Perls → weicherer und integrativer "Ostküstenstil"
** Laura Perls → weicherer und integrativer "Ostküstenstil"
* phänomenologisch, erfahrungs- und erlebensorientiert
* phänomenologisch, erfahrungs- und erlebensorientiert
* Ziel: Stimmigkeit und Integration psychischer Prozesse, Reifung der Persönlichkeit nach innen und außen
* Ziel: Stimmigkeit und Integration psychischer Prozesse/(abgewehrter) Anteile, Reifung der Persönlichkeit nach innen und außen
* Gesundheit = guter innerer und äußerer Kontakt
* Entwicklung aus Psychoanalyse → Kritik und Abgrenzung
* Entwicklung aus Psychoanalyse → Kritik und Abgrenzung
* Merkmale/Ziele:
* Merkmale/Ziele:
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* = Achtsamkeit
* = Achtsamkeit
* Ziel: Reaktivierung und Wahrnehmung emotionaler Bedürfnisse → Überwindung der Kontaktstörung
* Prinzip des Hier-und-Jetzt: gegenwärtige Situation = Ort der Veränderung


, Wahrnehmung aller gerade vorhandenen und zugänglichen Gefühle, Empfindungen und Verhaltensweisen des Klienten. Der Klient soll dadurch in die Lage versetzt werden, seine Kontaktstörungen, die ihn daran hindern, mit seiner Umwelt in einen befriedigenden Austausch zu treten, als solche zu erkennen und zu erleben. Über die Reaktivierung emotionaler Bedürfnisse und der Wahrnehmung derselben soll es dem Klienten ermöglicht werden, seine Kontaktstörung zu überwinden.
=== dialogisches Prinzip ===


Bewusstheit bzw. Gewahrsein kann sowohl eine absichtslose, aktive, innere Haltung der Aufmerksamkeit/Achtsamkeit als auch eine mehr gerichtete Form der Aufmerksamkeit/Achtsamkeit bezeichnen und sich auf alle Phänomene der Wahrnehmung und des Erlebens richten. Daraus folgt eines der wichtigsten Arbeitsprinzipien der Gestalttherapie, das Prinzip des Hier-und-Jetzt: Die gegenwärtige Situation, auch die zwischen Klient und Therapeut, wird als der entscheidende „Ort“ betrachtet, wo Veränderung geschieht. Vergangenheit und Zukunft kommen auch in dieser gegenwärtigen Situation ins Spiel: z. B. als Erinnerung oder als Planung. Methodisch geschieht die Förderung des Gewahrseins u. a. durch die direkte Rückmeldung des Therapeuten oder durch den Einsatz von Übungen oder von Experimenten, die aus der konkreten Therapiesituation heraus entwickelt werden.
* existentielle Beziehungsphilosophie (Martin Buber):
*# Handeln aus Ich-Es-Haltung = sachlich, auf ein Objekt bezogen
*# Handeln aus '''Ich-Du-Haltung''' = Hinwendung auf gleicher Ebene, Wertschätzung der Einzigartigkeit, nicht zweckgerichtet
* letztere grundlegend für Gestalttherapie → hohes Maß an Authentizität/Wahrhaftigkeit


=== Kontaktfunktionen ===


* Projektion
* Introjektion
* Retroflektion
* Konfluenz: typisch → Dependenz, Konfliktvermeidung,  Harmoniesucht
* Deflektion
* → Kontaktstörungen/-unterbrechungen, aber auch Problemlösungscharakter/Selbstregulation
* DD
** '''Assimilation''': Neues aus der Umwelt → '''Kontakt'''grenze → Prüfung, "Zerstörung", brauchbare Umwandlung, Aufnahme in Eigenes (→ positive Aggression) = "Kauen"
** '''Introjektion''':  Aufnahme von Neuem als Ganzes, ohne Prüfung/"Zerstörung"/Umwandlung → "'''Konfluenz'''" = Mangel an Bewusstheit für Kontaktgrenze und/oder mangelnde "Aggression" → Fremdkörper = Saugen + Schlucken


=== Kontaktstörung ===


* "unabgeschlossene Gestalt" → Anpassungsprozess (=Kontaktprozess zwischen Organismus/Psyche und Umwelt) unvollständig
* "geschlossene (=vollständige) Gestalt" =  abgeschlossene Anpassungsleistung
=== Ganzheit, Feld, Prozess ===
* Ganzheitlich =
** Einheit von Körper, Geist, Seele
** Verbindung mit Umwelt = "'''Organismus-Umwelt-Feld'''"
* "'''Kontaktgrenze'''" = Trennung und Verbindung
* Kontakt = Prozess des Austauschs, Assimilation, Wachstum → Bewegung, Handeln, Denken, Fühlen → Orientierung im Feld
* "Selbst" = Prozess = ""System der ständig neuen Kontakte"
* "Ich" = Teilfunktion des "Selbst" → Unterscheidung "zu mir gehörend" ↔ "fremd"
== Prinzipien ==
* '''dialogisch''': gemeinsame, authentische Arbeit an Themen, transparent, reflektiert
* '''feldtheoretisch''': Erforschung der Anpassungsprozesse an (Um)"Feld", Wechsel der Perspektive, Gewahrsein, bewusste Entscheidung, Suche nach inneren/äußeren Ressourcen
* '''phänomenologisch''': Aufgabe des Therapeuten → Achtsamkeit = Weglassen von Vorannahmen, Vermutungen, Erwartungen → Offenheit für Erfahrung im Hier und Jetzt; Beschreiben vor Interpretieren; möglichst alle Qualitäten erfassend
* '''existentialistisch''': eigene Verantwortung für Wahrnehmung der Welt, Bedeutungszuschreibung und Handlung
== Techniken ==
* fünf Typen:
*# '''Übungen''': bewusst hergestellte Situation zur allgemeinen Förderung der Wahrnehmung, Erleben und Handeln
*# '''Experimente''': ausprobieren und erforschen → konkrete Situation → Lernerfahrung
*# '''Hausaufgaben''': gemeinsam vereinbarte Experimente außerhalb der Therapie
*# '''Situationsbezogene Interventionen''': kurze, auf konkrete Situation bezogene Aussagen oder Fragen → persönlicher Resonanz/Reaktion des Therapeuten (→ dialogisch)
*# '''Medien und Modalitäten''': Wahrnehmung und Arbeit mit Sprache + Körper → Atmung, Stimme, Gestik/Mimik + Gegenständen ("'''leerer Stuhl'''")


[[Kategorie:Therapie]]
[[Kategorie:Therapie]]

Aktuelle Version vom 14. Dezember 2016, 14:00 Uhr

Grundlagen

  • Fritz und Laura Perls, Paul Goodmann
  • 1951 Hauptwerk "Gestalttherapie"
  • nach Trennung:
    • Fritz Perls → eher harter, oft konfrontativer "Westküstenstil"
    • Laura Perls → weicherer und integrativer "Ostküstenstil"
  • phänomenologisch, erfahrungs- und erlebensorientiert
  • Ziel: Stimmigkeit und Integration psychischer Prozesse/(abgewehrter) Anteile, Reifung der Persönlichkeit nach innen und außen
  • Gesundheit = guter innerer und äußerer Kontakt
  • Entwicklung aus Psychoanalyse → Kritik und Abgrenzung
  • Merkmale/Ziele:
    • Bewusstheit/Gewahrsein ("awareness") für alle gerade vorhandenen Gefühle, Gedanken, Empfindungen, Verhaltensweisen
    • Erkennen automatisierter/unbewusster Verhaltensmuster → Entscheidungsmöglichkeit
    • konkrete Arbeit an aktuellen Situationen und an der Beziehung zwischen Klient und Therapeut
    • Therapeut als partnerschaftlichen Begleiter → Techniken/Übungen gemeinsam entwickeln = Angebot
    • Ziele insgesamt und im Einzelfall immer transparent

Begriffe

Gestalt

  • = ein sinnvolles Ganzes, Sinn, Struktur, kohärente Gesamtheit
  • entsteht im Vordergrund vor einem Hintergrund (→ Gestaltpsychologie, Wahrnehmungspsychologie)
  • Wirklichkeit von vereinzelten Sinnesqualitäten/Einzelelemente wird verneint → Wahrnehmung nur als sinnvolle Ganzheiten = "Gestalten" möglich
  • Wahrnehmung, soziales Leben, Eigenexistenz → Ausdruck einer komplexen Sinngebung
  • "Das Ganze ist mehr/anders als die Summe seiner Einzelelemente"
  • Bedürfnis = offene Gestalt → taucht aus/vor Hintergrund auf → wird im Vordergrund zur Figur → muss geschlossen werden → taucht wieder in Hintergrund ein

Gewahrsein (awareness)

  • = Achtsamkeit
  • Ziel: Reaktivierung und Wahrnehmung emotionaler Bedürfnisse → Überwindung der Kontaktstörung
  • Prinzip des Hier-und-Jetzt: gegenwärtige Situation = Ort der Veränderung

dialogisches Prinzip

  • existentielle Beziehungsphilosophie (Martin Buber):
    1. Handeln aus Ich-Es-Haltung = sachlich, auf ein Objekt bezogen
    2. Handeln aus Ich-Du-Haltung = Hinwendung auf gleicher Ebene, Wertschätzung der Einzigartigkeit, nicht zweckgerichtet
  • letztere grundlegend für Gestalttherapie → hohes Maß an Authentizität/Wahrhaftigkeit

Kontaktfunktionen

  • Projektion
  • Introjektion
  • Retroflektion
  • Konfluenz: typisch → Dependenz, Konfliktvermeidung, Harmoniesucht
  • Deflektion
  • → Kontaktstörungen/-unterbrechungen, aber auch Problemlösungscharakter/Selbstregulation
  • DD
    • Assimilation: Neues aus der Umwelt → Kontaktgrenze → Prüfung, "Zerstörung", brauchbare Umwandlung, Aufnahme in Eigenes (→ positive Aggression) = "Kauen"
    • Introjektion: Aufnahme von Neuem als Ganzes, ohne Prüfung/"Zerstörung"/Umwandlung → "Konfluenz" = Mangel an Bewusstheit für Kontaktgrenze und/oder mangelnde "Aggression" → Fremdkörper = Saugen + Schlucken

Kontaktstörung

  • "unabgeschlossene Gestalt" → Anpassungsprozess (=Kontaktprozess zwischen Organismus/Psyche und Umwelt) unvollständig
  • "geschlossene (=vollständige) Gestalt" = abgeschlossene Anpassungsleistung

Ganzheit, Feld, Prozess

  • Ganzheitlich =
    • Einheit von Körper, Geist, Seele
    • Verbindung mit Umwelt = "Organismus-Umwelt-Feld"
  • "Kontaktgrenze" = Trennung und Verbindung
  • Kontakt = Prozess des Austauschs, Assimilation, Wachstum → Bewegung, Handeln, Denken, Fühlen → Orientierung im Feld
  • "Selbst" = Prozess = ""System der ständig neuen Kontakte"
  • "Ich" = Teilfunktion des "Selbst" → Unterscheidung "zu mir gehörend" ↔ "fremd"

Prinzipien

  • dialogisch: gemeinsame, authentische Arbeit an Themen, transparent, reflektiert
  • feldtheoretisch: Erforschung der Anpassungsprozesse an (Um)"Feld", Wechsel der Perspektive, Gewahrsein, bewusste Entscheidung, Suche nach inneren/äußeren Ressourcen
  • phänomenologisch: Aufgabe des Therapeuten → Achtsamkeit = Weglassen von Vorannahmen, Vermutungen, Erwartungen → Offenheit für Erfahrung im Hier und Jetzt; Beschreiben vor Interpretieren; möglichst alle Qualitäten erfassend
  • existentialistisch: eigene Verantwortung für Wahrnehmung der Welt, Bedeutungszuschreibung und Handlung

Techniken

  • fünf Typen:
    1. Übungen: bewusst hergestellte Situation zur allgemeinen Förderung der Wahrnehmung, Erleben und Handeln
    2. Experimente: ausprobieren und erforschen → konkrete Situation → Lernerfahrung
    3. Hausaufgaben: gemeinsam vereinbarte Experimente außerhalb der Therapie
    4. Situationsbezogene Interventionen: kurze, auf konkrete Situation bezogene Aussagen oder Fragen → persönlicher Resonanz/Reaktion des Therapeuten (→ dialogisch)
    5. Medien und Modalitäten: Wahrnehmung und Arbeit mit Sprache + Körper → Atmung, Stimme, Gestik/Mimik + Gegenständen ("leerer Stuhl")