Zwangsstörungen
Aus psych-med
Kognitiv-behaviorales Modell
nach Salkovski
- zwei Komponenten mit unterschiedlicher Funktion:
- Stimuluskomponente
- Reaktionskomponente + Filterprozess
- Aufdringlicher Gedanke
- Elemente der menschlichen Informationsverarbeitung (Situationsbeschreibung)
- Willkürlich auftretende Gedanken (Intrusionen)
- Bsp.: „Ich könnte ein Kind verletzen…“
- Filterprozess
- Durch Prozess der Selektion und Bewertung erlangen aufdringliche Gedanken eine Bedeutung
- Dysfunktionale Schemata greifen in diesen Prozess ein
→ Katastrophisierende Fehlinterpretation
→ Gedanken werden als höchst relevant, negativ und nicht zulässig erlebt - Dysfunktionale Schemata aktivieren Metakognitionen:
- Thought-action fusion: "Wenn ich etwas denke, werde ich es auch tun."
- Thought-event fusion: "Wenn ich etwas denke, wird es Realität."
- Thought-object fusion: Wenn ich etwas denke, wird es auf einen Gegenstand überspringen / er wird kontaminiert werden."
- Emotionale Reaktion
- Durch die Bewertung des Gedankens wird Unruhe, Erregung oder Angst ausgelöst
- Neutralisierung
- Emotionale Reaktion impliziert einen Handlungsbedarf
→ Ausführung des eigentlichen Zwanges - kann sowohl auf der Handlungs- als auch kognitiven Ebene stattfinden
- Funktion: Abwenden von der mit dem aufdringlichen Gedanken verbundenen Gefahr
- Emotionale Reaktion impliziert einen Handlungsbedarf
- Rückkoppelungsprozess
- Neutralisierung
- wirkt kurzfristig angstreduzierend → Bestätigung für die Wirksamkeit des Verhaltens als präventive Maßnahme
- verstärkt dysfunktionale Annahmen über Verantwortung für Nichteintreten der Katastrophe ("omission bias")
- erhöht Bedeutsamkeit und damit Auftretenshäufigkeit der aufdringlichen Gedanken
- Unterdrückung der Gedanken
- Der Versuch, die Gedanken zu unterdrücken, ist ein weiteres Signal für deren Bedeutsamkeit
→ führt zu vermehrtem Auftreten der Gedanken (Aufschaukelungsprozess)
- Der Versuch, die Gedanken zu unterdrücken, ist ein weiteres Signal für deren Bedeutsamkeit
- Affektive Störungen haben insofern Einfluss, als Stimmungsbeeinträchtigungen die Zugänglichkeit und Akzeptanz der dysfunktionalen Schemata erhöhen
→ ungünstige Beeinflussung der Relevanz und Frequenz der aufdringlichen Gedanken - Entscheidend im Modell sind die inadäquaten Bewertungsprozesse:
- Wahrnehmung einer Bedrohung
- Überschätzung der persönlichen Verantwortung
- beide Überzeugungen interagieren miteinander und potenzieren sich in ihrer negativen Wirkung
- Gefahr = Wahrscheinlichkeit x Konsequenzen
- Neutralisierung
Netzwerktheorie nach Foa et al.
- Ergänzung zu kognitiven Modellen
- Fokus auf Struktur der Emotions- und Informationsverarbeitungsprozessen
- Ausgangspunkt: Emotionen werden in Form einer Netzwerkstruktur im Gedächtnis abgebildet
- Drei Arten von Infos, die über assoziative Verknüpfungen miteinander verbunden sind:
- Angstauslösende Stimulusbedingungen
- Verbale, physiologische und behaviorale Reaktionsmöglichkeiten
- Bedeutung dieser Reiz- und Reaktionselemente
- Angstnetzwerke sind im Vergleich zu normalen Gedächtnisstrukturen…
- …kohärent
- sehr verzweigte Netzwerke
- bereits minimale Info reicht aus, gesamte Struktur zu aktivieren und Angst auszulösen.
- …stabil
- korrektive Infos können schlecht integriert werden
- …irrational
- …kohärent
- Patienten weisen kognitive Beeinträchtigungen in vier Bereichen auf:
- Einschätzung der Wahrscheinlichkeit eines Schadens/Unglücks
- Die Bedeutung eines Ereignisses ergibt sich aus den Verbindungen zwischen einzelnen Elementen
- Wahrscheinlichkeitsinfo ist abhängig von Vielzahl und Stärke der assoziativen Verknüpfung
- Bewertung eines Schadens, d.h. Einschätzung der Konsequenzen
- negative Bedeutungszuschreibungen als Ergebnis der vielfältigen Verzweigungen
- Schlussfolgerndes Denken und Entscheiden
- trotz fehlender objektiver Zeichen für eine Gefahr werden Situationen als unsicher eingeschätzt.
- auch sehr periphere Netzwerkelemente können mit negativen Bedeutungselementen gekoppelt sein
- Informationsverarbeitung
- selektive Informationsverarbeitung
- Differenzierung und Generalisierung entsprechend der bereits vorhandenen Bedeutungszuschreibungen
- Einschätzung der Wahrscheinlichkeit eines Schadens/Unglücks
Symptome
Zwangsgedanken
- inhaltliche Denkstörungen im Sinne sich zwanghaft immer wieder aufdrängender, jedoch als unsinnig erkannter Denkinhalte
- häufig auch formale Denkstörungen (Perseverationen, Gedankenkreisen/Gedankenarmut, überwertige Ideen)
- Zwangsideen/Zwangsbefürchtungen/Zwangsvorstellungen: z.B. Befürchtung, etwas nicht richtig gemacht zu haben; Angst, dass dem Ehepartner etwas Schlimmes zustoßen könnte
- Zwangsimpulse: z.B. schädigende Handlungen gegen sich oder andere
- Grübelzwang: bestimmte Gedanken müssen wieder und wieder durchdacht werden ohne Möglichkeit, dabei zu einer Entscheidung oder zu einer Lösung zu kommen
- quälende Zweifel: Unsicherheit, Handlungen nicht zufrieden stellend abgeschlossen, etwas falsch verstanden, getan oder unterlassen zu haben
häufige Themen:
- Schmutz oder Verseuchung (Exkremente, Schmutz, Staub, Samen, Menstruationsblut, Keime, Infektionen)
- Gewalt und Aggression (körperlicher oder verbaler Angriff auf sich selbst oder andere Personen; Unfälle, Missgeschick, Krieg, Katastrophen, Tod)
- Ordnung (Ordentlichkeit, Symmetriebestrebungen usw.)
- Religion/Magie (Existenz Gottes, religiöse Praktiken und Rituale, Glaubenssätze, moralische Einstellungen)
- Sexualität (sexuelle Handlungen an sich oder anderen, inzestuöse Impulse, sexuelle Leistungsfähigkeit)
Diagnostik
- Zwangshierarchie = Angsthierarchie (Gedanken, Handlungen)
- Y-BOCS
- Vermeidungsverhalten
Therapie
- Standard: Exposition mit Reaktionsverhinderung (ERP) mit/ohne begleitende kognitive Verhaltenstherapie (KVT)
- Alternative: Akzeptanz- und Commitmenttherapie (ACT)
- Fevarin / Paroxetin
- Stichtag