Abwehrmechanismen: Unterschied zwischen den Versionen
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Version vom 23. Januar 2016, 12:20 Uhr
Grundlagen
- Abwehr = Unbewusstmachen von psychischen Inhalten, Impulsen, Normen
- Ziel: Schutz des Ichs gegen Triebansprüche = Es-Regungen unter Einfluss des Über-Ich
- prinzpiell normal, nur pathologisch, wenn dadurch Einschränkung der Selbstwahrnehmung und Realitätsbewältigung
- Ziel der Therapie grundsätzlich Ich-Stärkung → Selbstwahrnehmung, Integration von Impulsen → Bewusstmachung der Abwehr als zentrale Methode
- Gründe:
- Realangst
- Über-Ich-Angst
- Angst vor Triebstärke
- Formen:
- Triebabwehr
- Affektabwehr
- permanente Abwehr → erstarrte Abwehrmechanismen, "Charakterpanzerung" (Wilhelm Reich)
- neurotische Symptombildung
Stufen nach Funktionsniveau
| Stufe | Mechanismen | Selbstgefühl, Ich-Identität | Objektbeziehung | Realitätsprüfung |
|---|---|---|---|---|
| "reif" gesund |
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| neurotisch |
|
integriertes Selbstkonzept, ungestörte Ich-Identität | Trennung von Selbst und Objekt | intakt |
| unreif Borderline |
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Identitäsdiffusion | partielle Verschmelzungsfantasien, teilweise angewiesen auf real präsentes Objekt | weitgehend erhalten |
| psychotisch |
|
Identitätsdiffusion | totale Verschmelzungsfantasien, angeweisen auf real präsentes Objekt | aufgehoben |
Abwehrformen
| Name | Mechanismus |
|---|---|
| Verdrängung | Unbewusstmachen psychischer Inhalte und Affekte → Zurückweisen von Impulsen. "Grundabwehr", kann bei jeder Abwehrleistung vorhanden sein. DD Unterdrückung = willentlich-bewusst |
| Verleugnung | Unbewusstmachen äußerer Reize, Bedeutung wird emotional nicht erlebt und rational nicht anerkannt |
| Verneinung | Form der Verleugnung, Negierung eines Sachverhalts, "intellektuelle Annahme des Verdrängten bei Fortbestand des Wesentlichen an der Verdrängung" (Freud): "Ich empfinde überhaupt nichts für XXX" |
| Vermeidung | vermeiden von Schlüsselreizen, die Triebregungen verursachen könnten |
| Verschiebung | beängstigende Affekte, Phantasien, Impulse auf eine Person werden auf eine andere verschoben |
| Regression | Rückzug auf frühere Entwicklungsstufe der Ich-Funktion (Trieb- oder Ich-Regression) → Trotzverhalten, Fresslust, Versorgungswünsche |
| Progression | Gegenstück zur Regression → Flucht in spätere Entwicklungsstadien; bei Kindern/Jugendlichen anzufinden; oft im Wechsel mit Regression über das Ausgangsniveau hinweg |
| Reaktionsbildung | Abwehr eines unbewussten Triebimpulses durch entgegengesetzte Verhaltensweise/Motive, z.B. Mitleid statt Aggression; kann bewusst, unbewusst oder teilweise bewusst sein |
| Isolierung | unerfüllbarer Wunsch erscheint in entstellter Form, wird dadurch als fremd erlebt → häufig bei Zwangsstörungen (z.B. Aggression/Todeswunsch gegen Vater → Angst, jemanden aus Versehen im Straßenverkehr zu verletzen) |
| Affektisolierung | Fehlen/Dämpfung eines normalerweise spontan auftretenden Gefühls in einer bestimmten Situation |
| Ungeschehenmachen | unwirksame Handlungen/Rituale (z. B. auf Holz klopfen) → magisches Denken, Aberglaube |
| Projektion | Triebimpuls/Motiv/Absicht wird anderer Person zugeschrieben → Selbstwahrnehmung verzerrt |
| Projektive Identifizierung | "negative" Selbstanteile (meist Aggression) wird abgespalten und auf Gegenüber projiziert; dann wird Gegenüber so manipuliert, dass es sich entsprechend verhält (sich mit der Projektion identifiziert), um dann den abgespaltenen Anteil im Gegenüber zu bekämpfen/kotrollieren → intrapsychischer Konflikt wird interpersonell inszeniert / externalisiert → Stabilisation des innerpsychischen Gleichgewichts auf Kosten der Beziehung zu anderen; typisch für Borderline |
| Autoaggression, Wendung gegen das Selbst |
Gegenstück der Projektion: aggressive Impulse gegen anderer Person werden gegen eigene Person gerichtet → Stabilisation der interpersonellen Beziehung auf Kosten eines intrapsychischen Konfliktes |
| Introjektion, Identifikation |
Angst vor Bedrohungen von außen → "Einverleiben" von Verhalten, Meinung, Werten einer anderen Person in die Ich-Struktur → Reduktion der Angst / Bedrohung von außen Identifikation mit dem Aggressor: Verantwortung/Schuld wird sich selbst zugeschrieben, Einstellung/Verhalten des Angreifers übernommen → Abwehr unerträglicher Angst-/Hilflosigkeits-/Ohnmachtsgefühle, Rückerlangung von Kontrolle |
| Sublimierung, Sublimation |
Ersatz/Befriedigung eines Triebwunsches durch gesellschaftlich höher bewertete Handlungen, z.B. Aggression → Sport, Libido → Kunst, Medizin, Neugier → Wissenschaft; gilt als "reif", oft nicht psychopathologisch, nach Freud "Motor für Kulturentwicklung" |
| Spaltung | Unfähigkeit, Ambivalenz zu ertragen → Objekte/Selbst werden in "gut"/"böse" aufgeteilt → Idealisierung/Abwertung, schneller Wechsel zwischen Affekten; typisch für Borderline; Überwindung: Fähigkeit, Gutes im Schlechten zu erkennen und Negative im Guten zu akzeptieren |
| Intellektualisierung | Distanzierung von konflikthaftem Affekt durch Abstraktionsbildung/theoretisches Analysieren, z.B. Fachsimpeln unter Therapeuten über sexuelle Störungen der Patienten |
| Rationalisierung | emotionale Bedeutung wird ignoriert/unterbewertet, rational-logische Motive als alleiniger Grund für eigene Handlung angesehen/vorgeschoben |
| Somatisierung | Nicht-Wahrnehmen eines Konflikts, Ausdruck/Wahrnehmung nur in Form körperlicher Beschwerden (ohne symbolische Bedeutung) |
| Konversion | Symbolische Darstellung des Konfliktes auf körperlicher Ebene (in der Regel neurologische Symptome) → Hysterie (z.B. Blindheit, Lähmung) |
| Affektualisierung | Ereignis oder Verhalten wird dramatisiert → Hysterie |
| Entwertung, Idealisierung |
Objekte werden unbewusst entwertet oder überhöht → typisch für Borderline mit Spaltung |
| Objektneutralisierung | Objekte werden für unwesentlich, unwichtig gehalten (→ Verleugnung) → Vermeidung emotionaler Beziehungen, die als bedrohlich erlebt wird |
| Selbstneutralisierung | Selbst wird für unwichtig gehalten, nur zu erreichenden Ziele zählen → z.B. Schutz vor Selbstvorwürfen |
| Depersonalisation | Veränderung der Körperwahrnehmung → oft bei Dissoziation; Schutzfunktion sowohl vor äußerer Bedrohung des Selbst als auch vor innerer Bedrohung (z.B. aggressive Impulse) |
| Derealisation | Umwelt wird verändert erlebt, manchmal mit Symbolgehalt |