Narzisstische Persönlichkeitsstörung
Aus psych-med
Diagnose
psychodynamisch
Freud
- primärer Narzissmus: notwendige Entwicklungsstufe des Übergangs vom Autoerotismus zur Objektliebe
- sekundärer Narzissmus: Rücknahme der libidinösen Objektbesetzung mit Fixierung
- Narzissmusbegriff:
- klinisch: sexuelle Perversion, eigener Körper als Sexualobjekt
- psychogenetisches Entwicklungsstadium
- Objektbeziehungen: Typ der Objektwahl und Beziehung zur Umwelt
- Regulation des Selbstwertgefühls
Kohut
- siehe Selbstpsychologie
- temporärer Verlust der Selbstkohärenz
- Mangel an aktueller Selbstobjekterfahrung (Selbstobjekt = subjektives Erleben eines Mitmenschen als Stütze unseres Selbst)
- Entwicklung:
- virtuelles Selbst = Vorstellungen/innere Bilder der Eltern über ihr Kind → primäre Begegnung mit dem Kind
- archaisches Selbst = Verschmelzungsbedürfnisse mit spiegelnden und idealisierten Selbstobjekten
unvermeidliche Versagung →- Größenselbst: "Ich bin perfekt"
- idealisiertes Elternimago: "Du bist perfekt" → Internalisierung: "Ich bin ein teil von Dir"
- reifes Selbst:
- infantile Omnipotenz → Realitätssinn
- infantile Grandiosität → reifes Selbstwertempfinden
Kernberg
- Selbstwertstörung und Störung des Objektbeziehungen
- Unterscheidung:
- gesunder/normaler Narzissmus: libidinöse Besetzung einer gesunden Selbststruktur
- pathologischer Narzissmus: libidinöse Besetzung einer pathologischen Selbststruktur
- Abwehrstruktur gegen orale Aggression und frühe Spaltungen → pathologische Selbststruktur
- strukturelles Defizit: Realselbst = Idealselbst = Idealobjekt → Grandiosität
- Regression auf frühes Entwicklungsstadium mit unscharf getrennten Selbst-/Objektrepräsentanzen
- maligner Narzissmus:
Doppelte Selbstwertregulation
- hohe explizite Selbstwertschätzung (= positives Selbstschema): dysfunktionale Korrelate in Form von Selbstaufwertung bei Abwertung anderer, geringer Empathie und dominant-aggressivem Interaktionsverhalten
- geringe implizite Selbstwertschätzung (= negatives Selbstschema)
- Selbstwertdiskrepanz ⇒ instabiler Selbstwert, dysfunktionale Strategien der Selbstwertstabilisierung, egozentrische Selbstaufwertung
- dysfunktionale und maladaptive Strategie zur Befriedigung von Grundbedürfnisen, die in der Entwicklungsgeschichte mißachtet wurden
- inkompatible emotionale Kernselbstanteile, im Mittelpunkt problematische Emotionen wie Scham, Minderwertigkeit, Hilflosigkeit, Angst
- intensiv, durch Erfahrung nicht modifizierbar oder korrigierbar, undifferenziert
- können nicht reguliert, sondern nur vermieden oder bekämpft werden
- Aktivierung narzisstischer Schemata: Grandiosität, Perfektionismus, Illusion von Autonomie und Autarkie, Ärger, Aggressivität, Abwertung anderer
- Störung der selbstbezogenen Emotionsregulation
negative Selbstschemata
- das inkompetente Selbst (Scham, Hilfslosigkeit, Angst, Minderwertigkeit): erlebte Demütigung, Verletzung und Bloßtellung angesichts subjektiven oder objektiven Scheiterns oder Versagens
- das verlassene Selbst (Einsamkeit, innere Leere): ausgelöst durch Situationen der Betätigungs- bzw. Ereignislosigkeit, dem auf sich selbst zurückgeworfen sein oder der Erkenntnis, von anderen abhängig zu sein; dieser aversive Zustand wird oft durch kompensatorische Hyperaktivität, Hypersexualität sowie Suchtmittelgebrauch bekämpft bzw. vermieden
grandiose Selbstschemata
- dysfunktionale Bewältigungsstrategien (explizit hohes Selbstwertgefühl), um Aktivierung der negativen Selbstschemata zu vermeiden
- das grandiose Selbst (Euphorie, Stolz): Grandiosität, Überlegenheit, Arroganz und Besonderheit, verbunden mit Selbstidealisierung
- das gekränkte Selbst (Ärger, Wut, Neid): bei Ausbleiben von antizipierter Gratifikation - vor allem im Zusammenhang mit dem Nicht-Erreichen angestrebter Ziele oder ausbleibender Anerkennung, Bewunderung oder Versorgung - reagieren die Patienten mit den genannten Emotionen; häufig einhergehend mit Abwertung der eigenen Person oder anderer und Aggressivität
- das distanzierte Selbst (Gleichgültigkeit, Desinteresse): um sich gegen äußere und innere Stimuli zu wappnen, welche negative Selbstschemata aktivieren können, nimmt der Patient eine desinteressierte, scheinbar unbeteiligte Haltung ein
- bei Misslingen der Bewältigungsstrategien ⇒ depressive Einbrüche, Suizidalität, fremdaggressives Verhalten → bedeutende Rolle von Schamgefühlen