Narzisstische Persönlichkeitsstörung

Aus psych-med

Diagnose

psychodynamisch

Freud

  • primärer Narzissmus: notwendige Entwicklungsstufe des Übergangs vom Autoerotismus zur Objektliebe
  • sekundärer Narzissmus: Rücknahme der libidinösen Objektbesetzung mit Fixierung
  • Narzissmusbegriff:
    1. klinisch: sexuelle Perversion, eigener Körper als Sexualobjekt
    2. psychogenetisches Entwicklungsstadium
    3. Objektbeziehungen: Typ der Objektwahl und Beziehung zur Umwelt
    4. Regulation des Selbstwertgefühls
  • Therapie:
    • wegen mangelnder Onjektlibido fehlende Fähigkeit für Übetragungen
    • Deutung der Triebabwehr, Distanzierung von infantilen Triebansprüchen

Kohut

  • siehe Selbstpsychologie
  • temporärer Verlust der Selbstkohärenz
  • Mangel an aktueller Selbstobjekterfahrung (Selbstobjekt = subjektives Erleben eines Mitmenschen als Stütze unseres Selbst)
  • Entwicklung:
    • virtuelles Selbst = Vorstellungen/innere Bilder der Eltern über ihr Kind → primäre Begegnung mit dem Kind
    • archaisches Selbst = Verschmelzungsbedürfnisse mit spiegelnden und idealisierten Selbstobjekten
      unvermeidliche Versagung →
      • Größenselbst: "Ich bin perfekt"
      • idealisiertes Elternimago: "Du bist perfekt" → Internalisierung: "Ich bin ein teil von Dir"
    • reifes Selbst:
      • infantile Omnipotenz → Realitätssinn
      • infantile Grandiosität → reifes Selbstwertempfinden
  • Therapie:
    • Entwicklung von Selbstkohärenz
    • Widerstandsdeutungen → Entwicklung von Selbstobjekt-Übertragungen
    • Umgang mit Beziehungsabbrüchen
    • Deutung des inneren Erlebens, Empathie
    • aggressives Verhalten → Empathieversagen des Therapeuten

Kernberg

  • Selbstwertstörung und Störung des Objektbeziehungen
  • Unterscheidung:
    • gesunder/normaler Narzissmus: libidinöse Besetzung einer gesunden Selbststruktur
    • pathologischer Narzissmus: libidinöse Besetzung einer pathologischen Selbststruktur
      • Abwehrstruktur gegen orale Aggression und frühe Spaltungen → pathologische Selbststruktur
      • strukturelles Defizit: Realselbst = Idealselbst = Idealobjekt → Grandiosität
      • Regression auf frühes Entwicklungsstadium mit unscharf getrennten Selbst-/Objektrepräsentanzen
    • maligner Narzissmus: Form des path. N. mit antisozialem Verhalten, paranoide Haltung, ichsyntoner Sadismus
  • Therapie:
    • Pat. kann weder Abhängigkeit ertragen noch Dankbarkeit empfinden
    • strikte Neutralität → Übertragungsdeutungen von Neid und Hass
    • Entwicklung von Schuldgefühlen und Dankbarkeit → Rückgang an Spaltungen und negativer Übertragung, Integration von Selbst-/Objektrepräsentanzen
    • Projektion des idealen Selbst → Umwandlung in gute Elternfigur
    • Klarifikation, Konfrontation und Deutung im Hier und Jetzt

verhaltenstherapeutisch

Doppelte Selbstwertregulation

  • grandioser Selbstanteil:
    • unbeirrt, offen, dickhäutig
  • hohe explizite Selbstwertschätzung (= positives Selbstschema): Selbstaufwertung bei Abwertung anderer, geringe Empathie, dominant-aggressives Interaktionsverhalten
  • vulnerabler Selbstanteil:
    • hypervigilant, verdeckt, dünnhäutig
    • geringe implizite Selbstwertschätzung (= negatives Selbstschema) → Scham, Unsicherheit, Angst, Einsamkeit
  • Selbstwertdiskrepanz ⇒ instabiler Selbstwert, dysfunktionale Strategien der Selbstwertstabilisierung, egozentrische Selbstaufwertung
  • → dysfunktionale und maladaptive Strategie zur Befriedigung von Grundbedürfnisen, die in der Entwicklungsgeschichte mißachtet wurden
  • → inkompatible emotionale Kernselbstanteile, im Mittelpunkt problematische Emotionen wie Scham, Minderwertigkeit, Hilflosigkeit, Angst
  • → intensiv, durch Erfahrung nicht modifizierbar oder korrigierbar, undifferenziert
  • → können nicht reguliert, sondern nur vermieden oder bekämpft werden
  • → Aktivierung narzisstischer Schemata: Grandiosität, Perfektionismus, Illusion von Autonomie und Autarkie, Ärger, Aggressivität, Abwertung anderer
  • Störung der selbstbezogenen Emotionsregulation

negative Selbstschemata

  1. das inkompetente Selbst (Scham, Hilfslosigkeit, Angst, Minderwertigkeit): erlebte Demütigung, Verletzung und Bloßtellung angesichts subjektiven oder objektiven Scheiterns oder Versagens
  2. das verlassene Selbst (Einsamkeit, innere Leere): ausgelöst durch Situationen der Betätigungs- bzw. Ereignislosigkeit, dem auf sich selbst zurückgeworfen sein oder der Erkenntnis, von anderen abhängig zu sein; dieser aversive Zustand wird oft durch kompensatorische Hyperaktivität, Hypersexualität sowie Suchtmittelgebrauch bekämpft bzw. vermieden

grandiose Selbstschemata

  • dysfunktionale Bewältigungsstrategien (explizit hohes Selbstwertgefühl), um Aktivierung der negativen Selbstschemata zu vermeiden
  1. das grandiose Selbst (Euphorie, Stolz): Grandiosität, Überlegenheit, Arroganz und Besonderheit, verbunden mit Selbstidealisierung
  2. das gekränkte Selbst (Ärger, Wut, Neid): bei Ausbleiben von antizipierter Gratifikation - vor allem im Zusammenhang mit dem Nicht-Erreichen angestrebter Ziele oder ausbleibender Anerkennung, Bewunderung oder Versorgung - reagieren die Patienten mit den genannten Emotionen; häufig einhergehend mit Abwertung der eigenen Person oder anderer und Aggressivität
  3. das distanzierte Selbst (Gleichgültigkeit, Desinteresse): um sich gegen äußere und innere Stimuli zu wappnen, welche negative Selbstschemata aktivieren können, nimmt der Patient eine desinteressierte, scheinbar unbeteiligte Haltung ein
  • bei Misslingen der Bewältigungsstrategien ⇒ depressive Einbrüche, Suizidalität, fremdaggressives Verhalten → bedeutende Rolle von Schamgefühlen

weiblicher Narzissmus

  • pathologische Muster:
appellativ passiv-regressiv "dependent and demanding" &rarr, krise bei Verlust des selbstwertregulietenden Objekts
phallisch progressiv autonom, kühl, zielbewusst; braucht aber ko-narzisstische Begleitung
moralisch regressiv/progressiv "Opferhaltung", aktive Inszenierung → Zuwendung, Sympathie, Solidarität → "Retter und Heiler"
  • Behandlung:
    • Abwertungsprozesse erkennen
    • Scham und Kränkung bennenen und besprechen
    • Kommunikation der Wirksamkeit
    • Beziehung schaffen und reflektieren

Therapie

  • Strategien und Ziele:
    • therapeutische Beziehungsgestaltung
    • Einsicht in doppelte Selbstwertregulation → Funktionalität → Überlebensregel/Grundannahmen
    • Emotionsregulation (Scham, Angst, Einsamkeit)
    • Entdeckung/Akzeptanz/Befriedigung vermiedener Bedürfnisse (Kontakt, Zugehörigkeit, Ruhe/Entspannung, Kreativität)
    • Interaktion/Beziehungsgestaltung → prosozial, selbstwertdienlich → Perspektivwechsel, Annahmen über andere Menschen, Verhaltensexperimente, Umgang mit Kritik und Misserfolg → GSK
    • Diskrepanz zwischen Anspruch und Erfolg → realistisches Selbstbild und Ziele
    • Sinnhaftigkeit des eigenen Handelns und Lebens
    • → größere Kongruenz zwischen Erleben, Bedürfnissen und Vorstellungen von sich selbst
  • Beziehungsgestaltung:
    • Übereinstimmung in Zielen und Aufgaben (Arbeitsbündnis)
    • komplementäre Beziehungsgestaltung
    • Kongruenz, Echtheit, Empathie
    • persönliche Reaktion → emotionale Konsequenzen des Verhaltens beim Gegenüber (→ CBASP!)
    • hohe Akzeptanz für selbstbewusste, eitle, dominante, ehrgeizige Menschen