Psychodynamische Theorien
Aus psych-med
Krankheitslehre
- Entwicklungspsychologie
- Lehre vom Unbewussten (Struktur, Konflikte)
- Triebpsychologie
- Ich-Psychologie
- Selbstpsychologie
- Objektbeziehungspsychologie
Lehre vom Unbewussten
- Grundanahme der Psychoanalyse: Seelenleben im Wesentlichen unbewusst
- betrifft Handlungen, Haltungen und Muster der (emotionalen und kognitiven) Bewertung
- Unbewusstes - Vorbewusstes - Bewusstsein
- dynamisches Unbewusstes nur zu erkennen in
- neurotischen Symptomen
- Fehlhandlungen
- Träumen/Fantasien → Traumanalyse
- sich wiederholende Beziehungsmuster (Wiederholungszwang)
- Persönlichkeits- und Verhaltensmerkmalen, die nicht willentlich gesteuert sind
- das Unbewusste → Primärvorgang
- Verdichtung, Verschiebung, Zeitlosigkeit, keine Logik, impulshaftes Handlen
- Lust-Unlust-Prinzip
- das Bewusstein (Vorbewusste) → Sekundärvorgang
- logisches und realitätsbezogenes Handeln
- Realitätsprinzip
Strukturmodell
- "seelischer Apparat"
- topographisches Modell: bewusst - vorbewusst - unbewusst
- Instanzenmodell: Es, Ich, Über-Ich → Konflikte
- Es:
- primäre Grundbedürfnisse (→ Trieblehre)
- unbewusst
- Ausgangspunkt aller Entwicklung → Suche nach Wegen der Triebbefriedigung
- alle körpernahen Wünsche
- Lustprinzip
- Ich:
- entsteht aus dem Triebapparat
- dient der Unlustvermeidung
- Sinnesfunktionen/Wahrnehmung
- Realitätsprinzip
- vermittelt zwischen basalen Bedürfnissen (Trieben), verinnerlichten Werten (Über-Ich) und den Anforderungen der Realität
- Über-ich:
- Gewissen, Selbstbeobachtung, Idealbildung → Zensor, Richter → Schuldgefühle, Minderwertigkeit
- z.T. unbewusst
- Ideal-Ich: ethisch-moralische Idealvorstellungen, verinnerlichte Werte und Normvorstellungen
- Es:
Strukturpathologie
- Struktur = psychische Differenzierung
- Entwicklungsschritte 1.-4. LJ:
- ausreichend gute Mutter (Winnicott) → gutes Selbsterleben
- Frustration → undifferenzierte negative Selbst-/Objektrepräsentanzen
- Loslösung/Individuation → undifferenzierte negative und positive Selbst-/Objektrepräsentanzen, noch keine Integration → Spaltung
- bei Erreichen der Objektkonstanz → Differenzierung Selbst/Objekt → Integration negativer/positiver Aspekte von Selbst/Objekten
- über Identifikation/Internalisierung → reife Strukturen (Es, Ich, Über-ich)
- Entwicklungsleistung → Voraussetzung für reife Abwehr
- bei Mangelzuständen (Vernachlässigung, emotionale Ablehnung, Misshandlung) → chronische Überfoderung des Ich
- strukturelle Ich-Störung = frühe Störung = Borderline-Persönlichkeitsorganisation
- unzureichende Selbst-Objektdifferenzierung → fusionäre Objektbeziehungen
- unzureichende Ich-Differenzierung → Identitätsdiffusion
- unreife/frühe Abwehrmechanismen → Spaltung, projektive Identifikation
- mangelnde Realitätsprüfung, verzerrte Wahrnehmung
- siehe OPD-Achse IV
Konflikt und Neurose
- Gruppe von seelisch bedingten Krankheiten
- Symptome beruhen auf
- inneren unbewusten Konflikten
- Versuch, Symptomen einen Sinn zu geben (Konfliktlösung) und biograpisch zu verstehen
- Symptome → Audruck einer spezifischen Verarbeitung von Konflikten mit den primären Bezugspersonen in verschiedenen Entwicklungsstadien
- Struktur: Entwicklungsstörungen des Ichs, des Selbst oder der Objektbeziehungen
- psychischen Traumata
- inneren unbewusten Konflikten
- Abgrenzung Normalität - Neurose rein quantitativ = Übermaß an Benutzung von Abwehrmechanismen
- allgemeine Neurosenlehre: Psychodynamik seelischer Vorgänge
- spezielle Neurosenlehre: Beschreibung einzelner Neuroseformen, z.B. Angstneurose, depressive Neurose
- Symptomneurose: Konfliktbewältigung verursacht Symptome → ich-dyston
- Charakterneurose: Konfliktbewältigung verursacht Verformung der Persönlichkeit (→ Persönlichkeitsstörung) → ich-synton
- Aktualneurose: Ursache nicht in Kindheit (Konflikte, Traumatisierungen), sondern aktuelle Veranlassung → kein analytisches Behandlungsverfahren erforderlich!
- Angstneurose
- Neurasthenie
- Hypochondrie
- Konzept der Desomatisierung/Resomatisierung (Max Schur, 1955):
- Entwicklung/Reifung als fortlaufender Prozess der Desomatisierung
- Resomatisierung = regressives Phänomen → direkte Umwandlung in körperliche Symptome → somatoforme Störungen
- Verlauf abhängig von
- infantile Entwicklung (strukturelle Vulnerabilität, Traumatisierung)
- Ich-Stärke
- sekundärer Krankheitsgewinn (= Konditionierung durch Zuwendung durch Partner, Gesellschaft)
- psychosoziale Abwehrformen (→ Stabilisation durch z.B. komplementäre Beziehungsmuster)
- Therapie: durch Einsicht zur Katharsis
Triebpsychologie
- Freud: "Es-Analyse", Fokus auf libidinöse/aggressive "Triebe"
- Mensch durch biologische Grundbedürfnisse bestimmt
- Triebe =
- hypothethische biologische Entitäten (nicht naturwissenschaftlich nachweisbar)
- somatischer Ursprung
- psychische Repräsentanz = Wünsche, Bedürfnisse, Affekte
- primärer Antrieb → Arbeitsanforderung für Ich und Über-Ich
- Ziel: Befriedigung = Aufhebung von Spannung
- benötigen Objekt (eigene/andere Person)
- seelischer Apparat → Wege der Triebbefriedigung finden = Überleben
- übergeordnete Konzepte:
- Sexualtrieb = Libido: Zuwendung, Kontakt, Zärtlichkeit, Sexualität → Bindung
- Aggressionstrieb = Destrudo: Verteidigung, Durchsetzung, Macht → Unterbrechung von Bindung
- (gegen sich selbst gerichtet: Todestrieb = Thanatos)
Ich-Psychologie
- Weiterentwicklung v.a. durch Anna Freud und Heinz Hartmann: Ich-Analyse → Fokus auf Ich-Leistungen, Abwehrmechanismen → Ziel: Autonomie des Patienten
- basales "Ich-Erleben" = Identität = "Das bin ich"
- Ziel: aus anfänglichen Ich-Kernen zunehmende ganzheitliche Erfahrung = Kern der Persönlichkeit
- Selbstorganisation = Homöostase → Rhythmus aus Progression und Regression
- v.a. intentional → Ausrichtung auf Objekte und objektbezogenes Handeln
- autonome Ich-Funktionen → Selbst- und Beziehungsregulation
- Wahrnehmung, Denken, Handeln, Sprache, Motorik, Gedächtnis
- Impulssteuerung:
- Untersteuerung → Impulsdurchbrüchhe (Fressanfall, aggressives Verhalten)
- Übersteuerung → Rigidität, Zwanghaftigkeit, Kontrolle
- Affektsteuerung: Frustrationstoleranz ↔ Überflutung durch negative Affekte
- Regressionssteuerung → Flexibilität = Verfügbarkeit früherer Organisationsstufen (Regression im Dienste des Ich) → Spiel, Kreativität, Humor
- Anpassungsleistung
- Automatisierung/Verinnerlichung der permanenten Anpassungsleistung (Abwehr)
- nicht aus Konflikten stammend, vom Triebapparat unabhängig
- teilweise unbewusst → Aufwandsersparnis/Automatisierung oder Abwehr
- Ich =
- Entwicklung nicht aus dem Es, sondern aus Ich-Kernen (= Anlagen des Neugeborenen)
- Träger des Bewusstseins
- Vermittler zwischen Innen/Außen, zwischen Instanzen (synthetische Funktion, Abwehrfunktion)
- Ort der Fantasien, Vorstellung, Affektwahrnehmung, Affektregulation, Symbolisierung
- Ort der Prüfung/Bewältigung der Realität, Unterscheidung Realität/Fantasie
- Ort der Selbstwahrnehmung und Selbstgefühl → psychische Repräsentanzen von Körperempfindungen
- Ort der internalisierten Objektbeziehungen = Beziehungsrepräsentanzen → Beziehungserwartung/-verhalten (teilweise durch Abwehr unbewusst)
Selbstpsychologie
- Weiterentwicklung von Heinz Kohut → Untersuchung der Entwicklung von Selbstobjekten
- Ich = präreflexiv, intentional
- Selbst = reflexiv → Mentalisierung, enthält andere Instanzen (Ich, Über-Ich, Bedürfnisse)
- Narzissmustheorie/-behandlung:
- "gesunder" Narzissmus = starkes, lebensfähiges Selbst, will Fähigkeiten erweitern/Bedürfnisse befriedigen
- "pathologischer" Narzissmus = schwaches/"falsches" Selbst, Stabilisation durch Vortäuschung eigener Grandiosität → bei Misslingen → Depression
- Heinz Kohut: Selbstentwicklung unabhängig von Trieb- und Ich-Entwicklung
- erste Sinneseindrücke → Selbstvorstellungen → Selbstkern → Selbstwertgefühl
- unreifes Selbst (Kind) → Unfähigkeit der Unterscheidung zwischen Selbst und Objekt (spiegelnde Mutter) ⇒ Mutter = Selbstobjekt
- archaisches, grandioses Selbst → optimale Frustration → realistisches Selbst
- optimale Frustration = erträgliche Konfrontation mit Differenz Wunsch/Wirklichkeit → stufenweise/dosiert durch Selbstobjekt
- nicht optimal → Abspaltung von "traumatisierten" Selbstaspekten = Selbst-Fragmente = narzisstische Wunden → leichte Kränkbarkeit
- primäres Ziel: nicht Triebbefriedigung, sondern Erhaltung eines stabilen Selbstgefühls
- Aggression nicht angeborene Kraft, sondern Reaktion auf Kränkungen = Selbstwertdestabilisierungen
- Selbst → permanent intrapsychisches Bewertung durch internalisierte Objekte
- liebevolles Introjekt ↔ entwertendes Introjekt
- Diskrepanz Real-Selbst ↔ Ideal-Selbst → narzisstische Kränkung
- Selbstwert = Internalisierung des guten Objekts
- Therapieziel:
- nicht bewusst machen der verdrängten aggressiven Strebungen (→ Symptom)
- sondern Verständnis der verdrängten Kränkungen (= narzisstische Verwundungen → Symptom)
- Kritik:
- starke Betonung der Umwelteinflüsse, große Verantwortung der Eltern
- Verleugnung eigener Verantwortung bis zu Selbstmitleid
Objektbeziehungspsychologie
- Paradigmenwechsel/Erweiterung der klassischen Triebtheorie → interpersonelle Wende (auch Selbstpsychologie)
- orthodoxe Psychoanalyse: Objekt = Person/Gegenstand → Befriedigung einer Triebregung
- Objektbeziehungstheorie: Objekt = reagierende Person → Emotion/Beziehung
- Tendenz zur Aktualisierung früherer Objekterfahrungen
- unbewusste Wiederherstellung alter Beziehungskonstellationen
- in der Hoffnung "diesmal wird alles anders"
- Gefühl von Vertrautheit, Sicherheit
- Übertragung = Erleben einer aktuellen Beziehung unter dem Blickwinkel überdauernder Muster vergangener Beziehungserfahrungen
- Hypothese: Patient stellt in der Therapie unbewusst ein zentrales Beziehungsmuster her, das dem Therapeut eine bestimmte Rolle zuweist
- Ziel: neue Beziehungserfahrung in geschütztem Raum, sicherer Beziehung
britische Schule
- Melanie Klein, William Fairbairn, Donald Winnicott, Michael Balint
- innere Objekte:
- DD Objektrepräsentanzen: internalisierte reale infantile Erfahrungen mit primären Bezugspersonen
- Projektion angeborener Fantasien auf Objekt
- positive/negative Affektbesetzung → innere Konflikte → Projektion nach außen
- 2 Phasen:
- schizoid-paranoide Position: dualistische Triebtheorie (Libido/Aggressio bzw. Eros/Thanatos) → böse/gute Objektbilder (→ Spaltung, projektive Identifikation)
- depressive Position: Symbolisierung von Affekten → Überwindung der Spaltung
- Winnicott:
- Übergangsobjekte
- "ausreichend gute Mutter"
amerikanische Schule
- Margaret Mahler, Edith Jacobson, Erik Erikson, Otto Kernberg → Ich-Psychologie
Trauma-Modell
- von (Freud) entweder (reale Traumtisierung) - oder (Trieb-Abwehr-Konflikte)
- zu sowohl - als auch
- psychisches Trauma = Ereignis, das die Fähigkeit des Ichs überfodert
- Integration von Wahrnehmungen/Gedanken/Gefühlen
- Aufrechterhaltung von Selbstkohärenz
- → Überflutung, überwältigende Angst, Hilflosigkeit, Ohnmacht
- → Zusammenbruch innerer tragender Obejtkbeziehungen
- sequentielle/kumulative Traumata
Abstinenzregel
- Therapeut erfüllt nicht die unbewussten Wünsche (Übertragung/Gegenübertragung) des Patienten ("Ersatzbefriedigung")
- "verpflichtet Analytiker und Analysand, ihre Beziehungsphantasien und -wünsche nicht im Handeln zum Ausdruck zu bringen."
- Ziel:
- Schutz des therapeutischen Situation (und Schutz vor sexuellem Missbrauch)
- Frustration → libidinöse Energie → verbale Auseinandersetzung, Einsicht als Befriedigung(sersatz)
- fordert/fördert therapeutische Ich-Spaltung → erleben und beobachten gleichzeitig
Widerstand
- Ausdruck psychischer Abwehr
- Analyse des Widerstands und Analyse der Übertragung Kernelemente der Therapie
körperliche Beschwerden
- Erklärungsmodelle psychosomatischer ("somatoformer") Beschwerden:
- Affektkorrelate verdrängter Vorstellungen
- triebpsychologisch: Konversion = Abwehr von Triebwünschen auf körperlicher Ebene
- ich-psychologisch: Störung der Ich-Funtkionen
- objekt-psychologisch: Umgang mit Körper = (Re-)Inszenierung von Beziehungsmustern (innere Objekte)
- selbst-psychologisch: übermäßige Körperbesetzung (?)
- Hypochondrie: Körper als Objekt
- bei Pat. mit Identitätsdiffusion (BPS): Hypochondrie als Versuch, Selbstkohärenz herzustellen, auch SV ("Das Ich ist zunächst ein Körperliches")
- therapeutische Methoden:
- Containing: Selbstanteile des Patienten "aufbewahren" und später zurückgeben
- Übergangsräume schaffen: psychischer Innenraum, Symbole
- subtektive Krankheitstheorie: biographische Einbettung
- Körpertherapie als Brücke, Gestaltungs-/Musiktherapie