Abwehrmechanismen: Unterschied zwischen den Versionen

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== Grundlagen ==
== Grundlagen ==


* Ziel: "Schutz des Ichs gegen Triebansprüche" (Es-Regungen, unter Einfluss des Über-Ich)
* Abwehr = Unbewusstmachen von psychischen Inhalten, Impulsen, Normen
* Ziel: Schutz des Ichs gegen Triebansprüche = Es-Regungen unter Einfluss des Über-Ich
* prinzpiell normal, nur pathologisch, wenn dadurch Einschränkung der Selbstwahrnehmung und Realitätsbewältigung
* Ziel der Therapie grundsätzlich Ich-Stärkung → Selbstwahrnehmung, Integration von Impulsen → Bewusstmachung der Abwehr als zentrale Methode
* Gründe:  
* Gründe:  
** Realangst
** Realangst
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** neurotische Symptombildung
** neurotische Symptombildung


== Verdrängung ==
== Stufen nach Funktionsniveau ==


Verdrängung ist ein Abwehrmechanismus, der vor allem die Aufgabe hat, das Ich vor einem bedrohlichen Einfluss zu schützen. Wie die Dissoziation löscht auch die Verdrängung keine Erinnerungen aus, sie erschwert nur die bewusste Erinnerung an ein Erlebnis. Unerwünschte Es-Impulse, die ein Gefühl von Schuld, Scham oder das Herabsetzen des Selbstwertgefühls hervorrufen, werden durch Ich und Über-Ich in das Unbewusste verdrängt. Von dort aus können sie allerdings in Träumen, Fehlleistungen und Ersatzhandlungen wieder zutage treten. Freuds Begriff der Verdrängung muss von einer willentlich-bewussten Unterdrückung unterschieden werden. Das Ideal gelingender Verdrängung als eines unbewussten Automatismus im Sinne Freuds macht den bewussten Zugang zum verdrängten Inhalt (ohne psychoanalytische Unterstützung) geradezu unmöglich.
{| class="wikitable" width="90%"
! Stufe !! Mechanismen !! Selbstgefühl, Ich-Identität !! Objektbeziehung !! Realitätsprüfung
|-
| "'''reif'''"<br />gesund
|
* Altruismus
* Humor
* Antizipation
* Unterdrückung (DD Verdrängung!)
* Sublimation
| &nbsp;
| &nbsp;
| &nbsp;
|-
| '''neurotisch'''
|
* Verdrängung
* Rationalisierung/Intellektualisierung
* Isolierung
* Ungeschehenmachen
* Reaktionsbildung
| integriertes Selbstkonzept, ungestörte Ich-Identität
| Trennung von Selbst und Objekt
| intakt
|-
| '''unreif'''<br />Borderline
|
* Spaltung
* Verleugnung
* Projektion, projektive Identifikation
* Fantasieren
* Idealisierung / Entwertung
* Hypochondrie
| Identitätsdiffusion
| partielle Verschmelzungsfantasien, teilweise angewiesen auf real präsentes Objekt
| weitgehend erhalten
|-
| '''psychotisch'''
|
* Paranoia
* Halluzinationen
* Größenwahn
* Spaltung
* Projektion
* Verleugnung
| Identitätsdiffusion
| totale Verschmelzungsfantasien, angeweisen auf real präsentes Objekt
| aufgehoben
|}


== Reaktionsbildung ==
== Abwehrformen ==


Gefühle oder Motive werden durch entgegengesetzte Gefühle/Motive niedergehalten (z. B. Mitleid statt aggressiver Impulse oder Hassgefühle, wenn Liebesgefühle gefährlich erscheinen). Dies muss abgegrenzt werden von einer bewusst ablaufenden Unterdrückung (z. B. wenn ein Arzt eine attraktive Patientin körperlich untersucht).
{| class="wikitable" width="80%"
! Name !! Mechanismus
|-
| '''Verdrängung'''
| Unbewusstmachen psychischer Inhalte und Affekte &rarr; Zurückweisen von Impulsen. "Grundabwehr", kann bei jeder Abwehrleistung vorhanden sein. DD Unterdrückung = willentlich-bewusst
|-
| '''Verleugnung'''
| Unbewusstmachen äußerer Reize, Bedeutung wird emotional nicht erlebt und rational nicht anerkannt
|-
| '''Verneinung'''
| Form der Verleugnung, Negierung eines Sachverhalts, "intellektuelle Annahme des Verdrängten bei Fortbestand des Wesentlichen an der Verdrängung" (Freud): "Ich empfinde überhaupt nichts für XXX"
|-
| '''Vermeidung'''
| vermeiden von Schlüsselreizen, die Triebregungen verursachen könnten
|-
| '''Verschiebung'''
| beängstigende Affekte, Phantasien, Impulse auf eine Person werden auf eine andere verschoben
|-
| '''Regression'''
| Rückzug auf frühere Entwicklungsstufe der Ich-Funktion (Trieb- oder Ich-Regression) &rarr; Trotzverhalten, Fresslust, Versorgungswünsche
|-
| '''Progression'''
| Gegenstück zur Regression &rarr; Flucht in spätere Entwicklungsstadien; bei Kindern/Jugendlichen anzufinden; oft im Wechsel mit  Regression über das Ausgangsniveau hinweg
|-
| '''Reaktionsbildung'''
| Abwehr eines unbewussten Triebimpulses durch entgegengesetzte Verhaltensweise/Motive, z.B. Mitleid statt Aggression; kann bewusst, unbewusst oder teilweise bewusst sein
|-
| '''Isolierung'''
| unerfüllbarer Wunsch erscheint in entstellter Form, wird dadurch als fremd erlebt &rarr; häufig bei Zwangsstörungen (z.B. Aggression/Todeswunsch gegen Vater &rarr; Angst, jemanden aus Versehen im Straßenverkehr zu verletzen)
|-
| '''Affektisolierung'''
| Fehlen/Dämpfung eines normalerweise spontan auftretenden Gefühls in einer bestimmten Situation
|-
| '''Ungeschehenmachen'''
| unwirksame Handlungen/Rituale (z. B. auf Holz klopfen) &rarr; magisches Denken, Aberglaube
|-
| '''Projektion'''
| Triebimpuls/Motiv/Absicht wird anderer Person zugeschrieben &rarr; Selbstwahrnehmung verzerrt
|-
| '''Projektive Identifizierung'''
| "negative" Selbstanteile (meist Aggression) wird abgespalten und auf Gegenüber projiziert; dann wird Gegenüber so manipuliert, dass es sich entsprechend verhält (sich mit der Projektion identifiziert), um dann den abgespaltenen Anteil im Gegenüber zu bekämpfen/kotrollieren &rarr; intrapsychischer Konflikt wird interpersonell inszeniert / externalisiert &rarr; Stabilisation des innerpsychischen Gleichgewichts auf Kosten der Beziehung zu anderen; typisch für [[Borderline-Persönlichkeitsstörung|Borderline]]
von Melanie Klein eingeführt, von Wilfred Bio weiterentwickelt: Kommunikation zwischen Mutter/Kind &rarr; Mutter als Container &rarr; Metabolisierung ("Verdauung"), Interaktion, Reintrojektion
|-
| '''Autoaggression''',<br />'''Wendung gegen das Selbst'''
| Gegenstück der Projektion: aggressive Impulse gegen anderer Person werden gegen eigene Person gerichtet &rarr; Stabilisation der interpersonellen Beziehung auf Kosten eines intrapsychischen Konfliktes
|-
| '''Introjektion,<br /> Identifikation'''
| Angst vor Bedrohungen von außen &rarr; "Einverleiben" von Verhalten, Meinung, Werten einer anderen Person in die Ich-Struktur &rarr; Reduktion der Angst / Bedrohung von außen<br />'''Identifikation mit dem Aggressor''': Verantwortung/Schuld wird sich selbst zugeschrieben, Einstellung/Verhalten des Angreifers übernommen &rarr; Abwehr unerträglicher Angst-/Hilflosigkeits-/Ohnmachtsgefühle, Rückerlangung von Kontrolle (typisch für [[PTSD]])
|-
| '''Sublimierung,<br /> Sublimation'''
| Ersatz/Befriedigung eines Triebwunsches durch gesellschaftlich höher bewertete Handlungen, z.B. Aggression &rarr; Sport, Libido &rarr; Kunst, Medizin, Neugier &rarr; Wissenschaft; gilt als "reif", oft nicht psychopathologisch, nach Freud "Motor für Kulturentwicklung"
|-
| '''Spaltung'''
| Unfähigkeit, Ambivalenz zu ertragen &rarr; Objekte/Selbst werden in "gut"/"böse" aufgeteilt &rarr; Idealisierung/Abwertung, schneller Wechsel zwischen Affekten; typisch für [[Borderline-Persönlichkeitsstörung|Borderline]]; Überwindung: Fähigkeit, Gutes im Schlechten zu erkennen und Negative im Guten zu akzeptieren
|-
| '''Intellektualisierung'''
| Distanzierung von konflikthaftem Affekt durch Abstraktionsbildung/theoretisches Analysieren, z.B. Fachsimpeln unter Therapeuten über sexuelle Störungen der Patienten
|-
| '''Rationalisierung'''
| emotionale Bedeutung wird ignoriert/unterbewertet, rational-logische Motive als alleiniger Grund für eigene Handlung angesehen/vorgeschoben
|-
| '''Somatisierung'''
| Nicht-Wahrnehmen eines Konflikts, Ausdruck/Wahrnehmung nur in Form körperlicher Beschwerden (ohne symbolische Bedeutung)
|-
| '''Konversion'''
| Symbolische Darstellung des Konfliktes auf körperlicher Ebene (in der Regel neurologische Symptome) &rarr; Hysterie (z.B. Blindheit, Lähmung)
|-
| '''Affektualisierung'''
| Ereignis oder Verhalten wird dramatisiert &rarr; Hysterie
|-
| '''Entwertung, <br />Idealisierung'''
| Objekte werden unbewusst entwertet oder überhöht &rarr; typisch für Borderline mit Spaltung
|-
| '''Objektneutralisierung'''
| Objekte werden für unwesentlich, unwichtig gehalten (&rarr; Verleugnung) &rarr; Vermeidung emotionaler Beziehungen, die als bedrohlich erlebt wird
|-
| '''Selbstneutralisierung'''
| Selbst wird für unwichtig gehalten, nur zu erreichenden Ziele zählen &rarr; z.B. Schutz vor Selbstvorwürfen
|-
| '''Depersonalisation'''
| Veränderung der Körperwahrnehmung &rarr; oft bei Dissoziation; Schutzfunktion sowohl vor äußerer Bedrohung des Selbst als auch vor innerer Bedrohung (z.B. aggressive Impulse)
|-
| '''Derealisation'''
| Umwelt wird verändert erlebt, manchmal mit Symbolgehalt
|}


== Regression ==
Es erfolgt ein überwiegend unbewusster Rückzug auf eine frühere Entwicklungsstufe der Ich-Funktion, in der ein niedrigeres organisiertes Verhalten noch funktioniert hat (Trotzverhalten, Fresslust, Suche nach Versorgung). Probleme mit regressivem Verhalten werden ebenfalls durch andere Mechanismen abgewehrt.
== Progression ==
ist das Gegenstück zur Regression. In einer gefährlichen Situation verhält sich jemand in einer erwachsenen Weise. Es findet eine Flucht in spätere Entwicklungsstadien statt. Zum Beispiel wenn die Mutter einer Zehnjährigen nicht mehr da ist, kümmert diese sich um jüngere Geschwister und wird zum Mutterersatz. Wenn die Belastung vorüber ist, kann es zu einer Regression über das Ausgangsniveau hinweg kommen.[3]
== Verleugnung ==
Im Unterschied zur Verdrängung wird nicht ein konfliktreicher innerer Wunsch abgewehrt, sondern ein äußerer Realitätsausschnitt verleugnet, also in seiner Bedeutung nicht anerkannt. Beispielsweise werden Veränderungen in der Umgebung zwar wahrgenommen, aber ihre reale Bedeutung wird emotional nicht erlebt und rational nicht anerkannt.
== Vermeidung ==
Triebregungen werden umgangen, indem Schlüsselreize vermieden werden. (vgl. Repression und Sensitization)
== Verschiebung ==
Phantasien und Impulse werden von einer Person, der sie ursprünglich gelten, auf eine andere verschoben, so dass die ursprünglich gemeinte Person unberührt bleibt (z. B. Aggression gegen eine tadelnde Autoritätsperson wird in Form von Beschimpfungen oder Tritten als Aggressionsverschiebung an einem Hund ausgelassen), oder ursprünglich vorhandene Zusammenhänge werden ausgeblendet und neue hergestellt. Dieser Vorgang ist insbesondere am Phänomen der Tierquälerei beteiligt.
== Spaltung ==
Inkompatible Inhalte werden auf mehrere Objekte verteilt. Sowohl die Objekte als auch das Selbst werden in „gut“ und „böse“ oder „schlecht“ aufgeteilt. „Gute“ Anteile werden idealisiert, „böse“ oder „schlechte“ werden ent- bzw. abgewertet, verdammt oder dämonisiert. (Vgl. Entwertung)
== Verneinung ==
Negierung eines Sachverhalts. Im Gegensatz zur Reaktionsbildung wird ein Gefühl oder eine Einstellung nicht durch deren Gegenteil ersetzt, sondern nur deren Vorhandensein verneint („Ich empfinde überhaupt nichts für XXX“).
== Ungeschehenmachen ==
Einsatz faktisch unwirksamer Handlungen und Rituale (z. B. auf Holz klopfen), denen eine symbolische Kraft zugeschrieben wird, mit dem Ziel, Strafe bei Verbots- und Gebotsübertretungen abzuwenden.
== Projektion ==
Eigene psychische Inhalte und Selbstanteile (vor allem Affekte, Stimmungen, Absichten und Bewertungen) werden anderen Personen zugeschrieben. Der Triebimpuls bzw. das Motiv wird auf ein Objekt projiziert wie bei einer optischen Projektion.
=== Projektive Identifizierung ===
Kombination von innerpsychischen und interpersonellen Vorgängen, bei dem das Gegenüber (unbewusst) so beeinflusst wird, dass es bestimmte Erwartungen erfüllt. Im subjektiven Sinne „negative“ Selbstanteile (in der Regel Aggressionen) werden erst abgespalten, dann auf das Gegenüber projiziert – wenn das Gegenüber sich unbewusst mit den abgespaltenen, projizierten Anteilen identifiziert und so handelt, wie es der Erwartung entspricht (z. B. aggressiv) werden durch diese Externalisierung unangenehmer oder unerträglicher Selbstanteile so innere Konflikte in der Außenwelt inszeniert, um das innerpsychische Gleichgewicht aufrechtzuerhalten, was jedoch die Beziehungen zu anderen stark belasten kann. Es handelt sich um einen für sogenannte Borderline-Störungen typischen Abwehrmechanismus, der die Schwierigkeiten, sich der Psychodynamik der Betroffenen gegenüber abzugrenzen, besser verständlich macht.
== Introjektion und Identifikation ==
Wehrt Angst vor Bedrohungen von außen ab durch das Einverleiben äußerer Einflüsse wie z. B. bestimmtes Verhalten, Anschauungen, Normen oder Werte einer anderen Person in die Ich-Struktur, sodass das Individuum sie nicht mehr als Bedrohungen von außen erleben muss.
=== Identifikation mit dem Aggressor ===
Bei einem gewaltsamen Übergriff bzw. einer psychischen Grenzüberschreitung wird die Verantwortung für das Geschehen sich selbst zugeschrieben und/oder die Einstellung oder das Verhalten eines Angreifers übernommen. Beides dient der Abwehr unerträglicher Angst- und Hilflosigkeitsgefühle und einer symbolischen Rückerlangung von Kontrolle.
== Surrogierende Abwehrmechanismen ==
=== Intellektualisierung ===
Entfernung vom unmittelbaren konfliktuösen Erleben durch Abstraktionsbildung und theoretisches Analysieren (z. B. abstrakte Gespräche über das Wesen der Liebe; Fachsimpeln unter Ärzten oder Therapeuten über schwierige Patienten oder solche, die in ihrem Leid als psychische Belastung erlebt werden), Philosophieren über Dinge, die eine verborgene emotionale Bedeutung für die Person haben.
=== Rationalisierung ===
Rational-logische Handlungsmotive werden als alleinige Beweggründe für Handlungen angegeben oder vorgeschoben. Gefühlshafte Anteile an Entscheidungen werden ignoriert oder unterbewertet.
=== Sublimierung oder Sublimation ===
Nicht erfüllte Triebwünsche werden durch gesellschaftlich höher bewertete Ersatzhandlungen ersetzt und damit befriedigt (Kunst, Wissenschaft, Musik, Sport, exzessive Arbeit). Typischerweise eignen sich für bestimmte Wünsche bestimmte Sublimationstechniken besonders gut. So werden aggressive Triebe oft durch Sport sublimiert, sexuelle Wünsche durch Beschäftigung mit schönen Künsten oder kindliche Neugierde durch wissenschaftliche Forschertätigkeit. Sublimierungen erfüllen die Befriedigung der Triebwünsche oft gut und werden dann nicht als psychopathologisch angesehen. Nach Freud ist die Sublimierung ein wichtiger Motor für die Kulturentwicklung.
== Abwehr unter Beteiligung körperlicher Symptome ==
=== Somatisierung ===
Nicht-Wahrnehmen eines Konflikts in seiner eigentlichen Gestalt, sondern in Form körperlicher Beschwerden. Diese haben jedoch keine symbolische Beziehung zum Konflikt.
=== Konversion ===
Umlagern eines psychischen Konflikts auf somatische Symptome, die eine symbolische Beziehung zum Konflikt haben. Entspricht dem früheren Hysteriebegriff (hysterische Blindheit, Lähmung).
== Abwehrmechanismen des Affekts ==
=== Affektualisierung ===
Ein Ereignis oder Verhalten wird dramatisiert.
=== Entwertung/Idealisierung ===
Objekte werden unbewusst entwertet oder überhöht.
=== Affektisolierung ===
Fehlen oder Dämpfung eines normalerweise spontan auftretenden Gefühls in einer bestimmten Situation. Der Nachweis eines isolierten Affektes dient therapeutisch auch der Bewusstmachung und rationalen Betrachtung bestimmter gefühlsintensiver Reaktionen.
== Aggressive Abwehrmechanismen ==
=== Autoaggression ===
Aggressive Impulse werden gegen die eigene Person gerichtet und treffen so nicht die Person, der sie ursprünglich galten, um die Beziehung zu dieser Person nicht zu gefährden. Das interpersonelle Feld wird so von Störungen freigehalten, ein interpersoneller Konflikt wird zulasten eines intrapsychischen Konflikts vermieden.
== Isolierung ==
Ein unerfüllbarer Wunsch wird dadurch bewältigt, dass er in entstellter Form befriedigt wird, wobei er als fremd, nicht der eigenen Person zugehörig, erlebt wird. Isolierung tritt häufig bei Zwangsneurosen auf, wo zum Beispiel die Zwangsvorstellung, andere Leute könnten auf der Straße tot umfallen, an die Stelle eines vom Ich nicht annehmbaren Todeswunsches gegen den Vater tritt.
=== Gefühlsblockaden als Reaktion auf Gefahr ===
Unter dem Einfluss eines traumatischen Ereignisses, zum Beispiel wenn jemand einen nahen Angehörigen verliert, kann es zu einer Blockierung aller Affekte und Stimmungen kommen, also zu einer Extremform der Isolierung vom Affekt.[4]
== Objektneutralisierung ==
Objekte werden für unwesentlich, unattraktiv und unwichtig gehalten. Damit wird vermieden, dass es im interpersonellen Feld zu intensiven Beziehungen kommt, deren Auswirkungen unangenehm sein könnten (z. B. wenn man bedroht würde, verletzt oder gekränkt zu werden).[5]
== Selbstneutralisierung ==
In einer gefährlichen Situation hat die Person das Gefühl, selbst unwichtig zu sein. Wichtig sind nur die zu erreichenden Ziele. Bei Depressiven kann die Selbstneutralisierung vor Selbstvorwürfen schützen (wer sich selbst nicht wichtig nimmt, braucht sich keine Vorwürfe zu machen). [6]
== Derealisation/Depersonalisation ==
Treten bei Gefahr auf und haben einen Bezug zu den Frühstörungen.[7]
=== Depersonalisation ===
Es kommt zur Veränderung der Körperwahrnehmung (z. B. Teile des Körpers werden in der Größe oder, wie bei Magersüchtigen, die gesamte Körpermaße werden verändert wahrgenommen). Hat oft das Ziel, ein Umsetzen von (i. d. R. aggressiven) Impulsen in motorisches Handeln zu erschweren.
=== Derealisation ===
Umwelt wird verändert erlebt. Die Art, wie sich die Umwelt verändert, kann Symbolgehalt haben. Manchmal wird die Umwelt als bedrohlich erlebt, wobei aggressive Impulse in die Umgebung projiziert werden.


[[Kategorie:Tiefenpsychologie]]
[[Kategorie:Tiefenpsychologie]]

Aktuelle Version vom 1. Mai 2017, 11:50 Uhr

Grundlagen

  • Abwehr = Unbewusstmachen von psychischen Inhalten, Impulsen, Normen
  • Ziel: Schutz des Ichs gegen Triebansprüche = Es-Regungen unter Einfluss des Über-Ich
  • prinzpiell normal, nur pathologisch, wenn dadurch Einschränkung der Selbstwahrnehmung und Realitätsbewältigung
  • Ziel der Therapie grundsätzlich Ich-Stärkung → Selbstwahrnehmung, Integration von Impulsen → Bewusstmachung der Abwehr als zentrale Methode
  • Gründe:
    • Realangst
    • Über-Ich-Angst
    • Angst vor Triebstärke
  • Formen:
    • Triebabwehr
    • Affektabwehr
    • permanente Abwehr → erstarrte Abwehrmechanismen, "Charakterpanzerung" (Wilhelm Reich)
    • neurotische Symptombildung

Stufen nach Funktionsniveau

Stufe Mechanismen Selbstgefühl, Ich-Identität Objektbeziehung Realitätsprüfung
"reif"
gesund
  • Altruismus
  • Humor
  • Antizipation
  • Unterdrückung (DD Verdrängung!)
  • Sublimation
     
neurotisch
  • Verdrängung
  • Rationalisierung/Intellektualisierung
  • Isolierung
  • Ungeschehenmachen
  • Reaktionsbildung
integriertes Selbstkonzept, ungestörte Ich-Identität Trennung von Selbst und Objekt intakt
unreif
Borderline
  • Spaltung
  • Verleugnung
  • Projektion, projektive Identifikation
  • Fantasieren
  • Idealisierung / Entwertung
  • Hypochondrie
Identitätsdiffusion partielle Verschmelzungsfantasien, teilweise angewiesen auf real präsentes Objekt weitgehend erhalten
psychotisch
  • Paranoia
  • Halluzinationen
  • Größenwahn
  • Spaltung
  • Projektion
  • Verleugnung
Identitätsdiffusion totale Verschmelzungsfantasien, angeweisen auf real präsentes Objekt aufgehoben

Abwehrformen

Name Mechanismus
Verdrängung Unbewusstmachen psychischer Inhalte und Affekte → Zurückweisen von Impulsen. "Grundabwehr", kann bei jeder Abwehrleistung vorhanden sein. DD Unterdrückung = willentlich-bewusst
Verleugnung Unbewusstmachen äußerer Reize, Bedeutung wird emotional nicht erlebt und rational nicht anerkannt
Verneinung Form der Verleugnung, Negierung eines Sachverhalts, "intellektuelle Annahme des Verdrängten bei Fortbestand des Wesentlichen an der Verdrängung" (Freud): "Ich empfinde überhaupt nichts für XXX"
Vermeidung vermeiden von Schlüsselreizen, die Triebregungen verursachen könnten
Verschiebung beängstigende Affekte, Phantasien, Impulse auf eine Person werden auf eine andere verschoben
Regression Rückzug auf frühere Entwicklungsstufe der Ich-Funktion (Trieb- oder Ich-Regression) → Trotzverhalten, Fresslust, Versorgungswünsche
Progression Gegenstück zur Regression → Flucht in spätere Entwicklungsstadien; bei Kindern/Jugendlichen anzufinden; oft im Wechsel mit Regression über das Ausgangsniveau hinweg
Reaktionsbildung Abwehr eines unbewussten Triebimpulses durch entgegengesetzte Verhaltensweise/Motive, z.B. Mitleid statt Aggression; kann bewusst, unbewusst oder teilweise bewusst sein
Isolierung unerfüllbarer Wunsch erscheint in entstellter Form, wird dadurch als fremd erlebt → häufig bei Zwangsstörungen (z.B. Aggression/Todeswunsch gegen Vater → Angst, jemanden aus Versehen im Straßenverkehr zu verletzen)
Affektisolierung Fehlen/Dämpfung eines normalerweise spontan auftretenden Gefühls in einer bestimmten Situation
Ungeschehenmachen unwirksame Handlungen/Rituale (z. B. auf Holz klopfen) → magisches Denken, Aberglaube
Projektion Triebimpuls/Motiv/Absicht wird anderer Person zugeschrieben → Selbstwahrnehmung verzerrt
Projektive Identifizierung "negative" Selbstanteile (meist Aggression) wird abgespalten und auf Gegenüber projiziert; dann wird Gegenüber so manipuliert, dass es sich entsprechend verhält (sich mit der Projektion identifiziert), um dann den abgespaltenen Anteil im Gegenüber zu bekämpfen/kotrollieren → intrapsychischer Konflikt wird interpersonell inszeniert / externalisiert → Stabilisation des innerpsychischen Gleichgewichts auf Kosten der Beziehung zu anderen; typisch für Borderline

von Melanie Klein eingeführt, von Wilfred Bio weiterentwickelt: Kommunikation zwischen Mutter/Kind → Mutter als Container → Metabolisierung ("Verdauung"), Interaktion, Reintrojektion

Autoaggression,
Wendung gegen das Selbst
Gegenstück der Projektion: aggressive Impulse gegen anderer Person werden gegen eigene Person gerichtet → Stabilisation der interpersonellen Beziehung auf Kosten eines intrapsychischen Konfliktes
Introjektion,
Identifikation
Angst vor Bedrohungen von außen → "Einverleiben" von Verhalten, Meinung, Werten einer anderen Person in die Ich-Struktur → Reduktion der Angst / Bedrohung von außen
Identifikation mit dem Aggressor: Verantwortung/Schuld wird sich selbst zugeschrieben, Einstellung/Verhalten des Angreifers übernommen → Abwehr unerträglicher Angst-/Hilflosigkeits-/Ohnmachtsgefühle, Rückerlangung von Kontrolle (typisch für PTSD)
Sublimierung,
Sublimation
Ersatz/Befriedigung eines Triebwunsches durch gesellschaftlich höher bewertete Handlungen, z.B. Aggression → Sport, Libido → Kunst, Medizin, Neugier → Wissenschaft; gilt als "reif", oft nicht psychopathologisch, nach Freud "Motor für Kulturentwicklung"
Spaltung Unfähigkeit, Ambivalenz zu ertragen → Objekte/Selbst werden in "gut"/"böse" aufgeteilt → Idealisierung/Abwertung, schneller Wechsel zwischen Affekten; typisch für Borderline; Überwindung: Fähigkeit, Gutes im Schlechten zu erkennen und Negative im Guten zu akzeptieren
Intellektualisierung Distanzierung von konflikthaftem Affekt durch Abstraktionsbildung/theoretisches Analysieren, z.B. Fachsimpeln unter Therapeuten über sexuelle Störungen der Patienten
Rationalisierung emotionale Bedeutung wird ignoriert/unterbewertet, rational-logische Motive als alleiniger Grund für eigene Handlung angesehen/vorgeschoben
Somatisierung Nicht-Wahrnehmen eines Konflikts, Ausdruck/Wahrnehmung nur in Form körperlicher Beschwerden (ohne symbolische Bedeutung)
Konversion Symbolische Darstellung des Konfliktes auf körperlicher Ebene (in der Regel neurologische Symptome) → Hysterie (z.B. Blindheit, Lähmung)
Affektualisierung Ereignis oder Verhalten wird dramatisiert → Hysterie
Entwertung,
Idealisierung
Objekte werden unbewusst entwertet oder überhöht → typisch für Borderline mit Spaltung
Objektneutralisierung Objekte werden für unwesentlich, unwichtig gehalten (→ Verleugnung) → Vermeidung emotionaler Beziehungen, die als bedrohlich erlebt wird
Selbstneutralisierung Selbst wird für unwichtig gehalten, nur zu erreichenden Ziele zählen → z.B. Schutz vor Selbstvorwürfen
Depersonalisation Veränderung der Körperwahrnehmung → oft bei Dissoziation; Schutzfunktion sowohl vor äußerer Bedrohung des Selbst als auch vor innerer Bedrohung (z.B. aggressive Impulse)
Derealisation Umwelt wird verändert erlebt, manchmal mit Symbolgehalt