Kulturbezogene Erkrankungen

Aus psych-med
  • Synonym: kulturgebundenes/kulturabhängiges Syndrom
  • seit 1994 in DSM-IV, Übersicht der häufigsten kulturgebundenen Syndrome in Anhang 1
  • Diskussion zwischen Anthropologen und Psychiatern über Einordnung der Syndrome

Kriterien

  1. Syndrom gilt innerhalb der Kultur "echte" Krankheit
  2. Syndrom ist innerhalb der Kultur weitgehend gut bekannt
  3. Syndrom ist in anderen Kulturen unbekannt
  4. Es gibt keine nachweisbaren biochemischen oder organischen Ursachen
  5. Die Diagnose und Therapie erfolgen meist innerhalb der lokalen Volksmedizin

Beispiele

Name Vorkommen Beschreibung
Anorexia nervosa, Bulimie Europa, Nordamerika seelisch bedingte Essstörungen
Frigophobie,
Pa-leng
China, Taiwan unverhältnismäßige Angst vor Kälte oder Wind mit der Überzeugung, diese verursachten Müdigkeit, Impotenz oder Tod; Folge: zwanghaftes Tragen von viel und schwerer Kleidung
Hikikomori Japan Menschen, die sich freiwillig mindestens sechs Monate in ihrer Wohnung oder ihrem Zimmer einschließen und den Kontakt zur Gesellschaft auf ein Minimum reduzieren
Taijin Kyōfushō Japan soziale Angst, andere Personen durch bestimmtes Verhalten oder Auftreten zu beleidigen (z.B. durch Augenkontakt, unangenehmen Körpergeruch, Erröten)
Dhat-Syndrom Indien Angst, mit dem Samen/Sperma seine Lebensenergie zu verlieren, während umgekehrt ein Zurückhalten der Ejakulation gesund ist zu einem langen Leben führt
Amok (Malaysia, Indonesien, Philippinen) umstritten; eine plötzliche, unprovozierte Episode mörderischen oder erheblich destruktiven Verhaltens, gefolgt von Amnesie oder Erschöpfung, teilweise Suizid
Koro Malaysia, Indonesien, Philippinen Angst, dass sich der Penis in das Körperinnere zurückzieht und der Tod eintritt; seltener bei Frauen, bezogen auf Brüste oder Schamlippen
Latah Malaysia, Indonesien, Philippinen dissoziative Anfälle bei erwachsenen Frauen, ausgelöst durch heftiges Erschrecken. Dauer 15 min. bis mehrere Stunden. Tranceartiger Zustand mit starker Beeinflussbarkeit/Suggestibilität sowie vulgärer Sprache und obszönen Gesten. Im Anschluss retrograde Amnesie.
Ufufuyane Südafrika und Kenia Verhaltensstörung mit Schluchzen, Schreien, Neologismen, Lähmungen, Trance-ähnliche Benommenheit, Stupor, Krämpfe, Albträume mit sexuellen Inhalten; v.a. bei jungen, unverheirateten Frauen; Auslöser: "Zaubertränke", Anblick Mannes oder Fremden; Dauer: Tage bis Wochen
Susto Lateinamerika Angstzustände und körperliche Beschwerden durch emotionale Traumata oder Mitleiden mit anderen
Pibloktoq Arktische Regionen, Inuit) "arktische Hysterie": Prodromalstadium mit Rückzug über Stunden bis Tage, gefolgt von einem Anfall starker Verwirrtheit und Erregtheit (Dauer ca. 30 min.), in dem die Person sich nackt im Schnee wälzt, Gegenstände zerstört, irrationales, und teils selbstgefährdendes Verhalten zeigt, auch Glossolalie, Echolalie und Echopraxie kommen vor. Anschließend Bewusstseinsverlust bis zu 12 Stunden und nach Erwachen retrograde Amnesie

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