Schizophrenie
Aus psych-med
Epidemiologie
- Prävalenz: 1% weltweit
- m:w = 1:1
- Erstmanifestation 15. - 35. LJ
- Verlauf:
- 75% Vorstadium = initiale Prodromalphase: uncharakteristische Störungen von Kognition, Affekt, Sozialverhalten
- 20% einmaliger Schub
- 40% wiederholte Schübe mit Residualsymptomatik
- 40% chronischer Verlauf, zahlreiche Schübe, hohe Residualsymptomatik
- Genetisches Risiko:
- ein Elternteil erkrankt: 13%
- beide Elternteil erkrankt: 46%
- Suizidrate: 10%
- häufig Substanzmissbrauch, oft mulipel (Alkohol, Cannabis)
Grundlagen
- revidierte Dopamin-Hypothese:
- D-Hyperaktivität mesolimbisch → Positivsymptomatik
- D-Hypoaktivität mesokortikal/präfrontal → Negativsymptomatik
- Vulnerabilitäts-Stress-Modell:
- genetische Komponente = subklinische Vulnerabilität
- psychosoziale Faktoren: High-Expressed-Emotions → Dekompensation, akute psychotische Symptomatik
- Double-Bind-Hypothese → widerlegt
Diagnose
- Kriterien:
- weitere Diagnostik:
- körperliche-neurologische Untersuchung
- Testpsychologie
- Labor
- Drogen-Screening
- cCT/cMRT
Symptomatik
- charakteristisch:
- episodische akut psychotische Zustände
- chronische Beeinträchtigungen mit persistierenden positiven und/oder negativen Symptomen
Symptome
- Positivsymptome:
- formale und inhaltliche Denkstörungen: Wahnsymptomatik
- Ich-Störungen: Gedankeneingebung, Gedankenausbreitung, Gedankenentzug
- Sinnestäuschungen: Halluzinationen
- motorische Unruhe
- Negativsymptome: oft als Residuum
- "dynamische Entleerung": Antriebsarmut, Zukunftsplanung, Perspektivlosigkeit, Affektverflachung
- motorische Defizite: Mimik, Gestik
- Schlafstörungen
- depressive Symptome
- kognitive Defizite:
- Konzentration, Lernen, Gedächtnis
- Perseveration, Idiolalie
- assoziierte Symptome:
- Aggression, Delinquenz
psychische Komorbidität
- affektive Störungen
- Suchtmittelgebrauch
- Angststörungen
- Zwangsstörungen
- Persönlichkeitsstörungen
somatische Komorbidität
- Adipositas
- metabolisches Syndrom, Diabetes
- KV Erkrankungen
sonstige Probleme
- lange Dauer der unbehandelten Krankheit (DUI): Prodromalphase + Dauer der unbehandelten Psychose (DUP)
- Suizidalität (x 10-20)
- Trauma (60-80%)
- mangelnde Krankheitseinsicht (40-60%)
- Non-Compliance (40-60%)
- Behandlungsabbruch (20-30%)
soziale Probleme
- Schul-/Arbeitsprobleme/-abbruch
- keine Ausbildung, Arbeitslosigkeit, Frühberentung
- Beziehungsprobleme, soziale Angst, keine Partnerschaft
- familiäre Probleme
- Wohungslosigkeit
- finanzielle Probleme
- Aggression, Delinquenz
- hobe Morbidität und Mortalität (Lebenserwartung -20%)
Therapie
- zentral: therapeutische Allianz
Akutphase
- Beziehung herstellen
- Symptomlinderung → Neuroleptika, frühestmöglich, möglichst niedrig
- Selbst-/Fremdgefährdung
- soziale Folgen, Einbeziehung von Bezugspersonen
- Selbsthilfe
postakute Stabilisierungsphase
- Negativsymptomatik, kognitive/soziale Defizite
- Partizipation, Compliance, Krankheitseinsicht
- Früherkennung von Rückfällen
- Coping-Strategien
Remissionsphase
- soziale Integration
- Rückfallprophylaxe, Früherkennung, Frühintervention
- Suizidprophylaxe
- berufliche Rehabilitation
Psychotherapie
- Stil: strukturiert, direktiv, eindeutige Kommunikation, ressourcenorientiert
- Evidenz nur für KVT
- Ziele:
- Psychoedukation: Symptomatik, Behandlung
- Verminderung der Vulnerabilität/ungünstiger Stressoren
- Kommunikation, Krankheitsbewältigung
- Flexibilität der Denkprozesse
- soziale Anapssung
- emotionale/affektive Störungen reduzieren
- Compliance fördern
- psychosoziale Interventionen: Tagesstruktur, soziale Kompetenz, Problemlösetraining
- Rückfallprävention: Compliance/Adhärenz, Frühwarnsymptome, Krisenplan
- bei persistierender Positiv-Symptomatik: Fokus auf Zielsymptome
- bewusste Beobachtung von und Beziehung zu Gefühlen, Gedanken, Handlungen
- Korrektur von Wahrnehmungsstörungen und irrationalen Überzeugungen
- ggf. neuropsychologisches Training bei kognitiven Defiziten (Aufmerksamkeit, Gedächtnis)
- ggf. Ergotherapie
Soteria
- aus Antipsychiatrie-Bewegung
- alternative stationäre Behandlung von Menschen in psychotischen Krisen
- weniger Zwangsmaßnahmen, weniger neuroleptische Medikation
- "Ersatzfamilie auf Zeit", Leben in Gemeinschaft
- maximal 10 Patienten
- gute Therapieffekte, gute Compliance
Erregung/Gewalttätigkeit
- v.a. bei ausgeprägter Positivsymptomatik
- Maßnahmen: Strukturierung der Umgebung, Reizabschirmung, verbale Beruhigung, Deeskalation
- ggf. medikamentöse Sedierung (Lorazepam + Neuroleptikum), Isolierung, Fixierung
Medikation
Neuroleptika
- bei Ersterkrankung 1 Jahr
- bei Rezidiv 3-5 Jahre, Auslassversuche sinnvoll, Cave Compliance
- möglichst Atypika, möglichst Monotherapie, ggf. Benzodiazepine
- Umstellung frühestens nach 2-4 Wochen
- Haloperidol max. 10 mg/d
- kurzfristige Wirksamkeit → Psychopathologie 6-12 Wochen
- langfristige Wirksamkeit → Rezidivrate, Symptompersistenz, soziale Funktionsfähigkeit, Lebensqualität
- bei Therapieresistenz: Spiegelkontrolle (Compliance?), ggf. Clozapin
- keine Kombination von Antipsychotika
weitere Substanzen
- Benzodiazepine: adjuvant, zeitlich limitiert → psychotisch-agitiert/-ängstlich, katatone Symptome, Akathisie, Schlafstörungen
- Antikonvulsiva/Lithium: adjuvant bei spezieller Indikation
- Antidepressiva: adjuvant bei Negativsymptomatik, Zwangs-/Angstsymptomen
sonstige Verfahren
- EKT: erste Wahl bei perniziöser Katatonie, sonst ultima ratio
- in Einzelfällen bei medikamentöser Therapieresistenz